Weißer Mond von Barbados
drehende Karussell diplomatischer Empfänge, höchstens vielleicht noch der Zirkus, der um das Weiße Haus und den Senat stattfand. Auch kamen ihm die Amerikaner mehr als fremdartig vor. Zwar hatte er die Midlands-Universität mit einem erstklassigen Examen verlassen, aber er blieb der engstirnige kleine Mann, der er war, trotz seiner hoch entwickelten Intelligenz. Und er blieb auch der typische misstrauische Insel-Engländer, der die übrige Welt mit Abneigung betrachtete. Amerika war ihm unverständlich, er versuchte auch nicht, es zu verstehen. Er tat seine Arbeit und dies mit allem Nachdruck und allen Fähigkeiten, die ihm stets zu Gebote standen und die die persönlichen Gefühle in den Hintergrund treten ließen.
An diesem Abend hatte er schon eine geraume Weile die Gesellschaft eines eifrigen österreichischen Finanzfachmannes mit steigender Langeweile ertragen, der sich alle Mühe gab, ihm die Vorzüge eines englisch-österreichischen Handelsabkommens zu schildern. Nun drehte er sich abrupt um, ließ den Österreicher stehen und hielt Ausschau nach einem interessanteren Gesprächspartner. Irgendwie hatte er das Gefühl im Nacken, daß etwas in der Luft lag. Dafür besaß er einen sechsten Sinn. Eine unschätzbare Gabe in seinem Beruf.
Mit kühlem Blick prüfte er die brillante Versammlung. Sehr distinguiert, sehr vornehm. Ihm imponierten sie nicht. Er kannte sie zu gut. Er wußte zu viel von ihnen. Die Damen der Diplomaten waren alle wieder sehr elegant in ihren schicksten Kleidern; der französische Botschafter, der Gastgeber, charmant wie immer, und Madame, seine Frau, natürlich wieder die eleganteste von allen Damen. Kaum vorstellbar, was ihre Kleider kosten mochten.
Loder nahm sich ein Glas mit Orangensaft vom Tablett eines Obers, und in diesem Moment erblickte er Richard Paterson mit seiner Frau. Sie war die Art von Frau, die Loder nicht ausstehen konnte. Blond und dämlich, eingebildet darauf, daß ihr Vati ein Luftmarschall war, dazu eine schrille hohe Stimme und ein lächerlich winziger Busen. Kaum hier angekommen, hatte sie schon ein Kind im Bauch, und kaum passiert, wußte es die ganze Botschaft. Als er auf die beiden zuging, sah er, wie Patersons Gesicht gefror. Loder grinste vor sich hin. Der hatte es nötig. Schließlich wußte er genau Bescheid über die wöchentlichen Reisen nach New York. Das – unter anderem – gehörte auch zu seiner Arbeit.
»Guten Abend«, sagte er. »Ziemlich voll, was?«
»Ja, schrecklich.« Rachel rückte etwas näher an ihren Mann heran. Sie hatte diesen unsympathischen kleinen Mann schon einige Male getroffen. Er sah so ungebildet aus, fand sie. Und die Art, wie er sie ansah, war so unangenehm. Was so ein Bursche eigentlich im Auswärtigen Dienst verloren hatte, verstand sie nicht, er paßte gar nicht hierher. Aber heutzutage hatte sich ja vieles geändert; die komischsten Leute gerieten in erste Kreise, man wußte gar nicht, wie sie dazukamen. Schon dieser gräßliche Kleine-Leute-Akzent verriet, wo der Mann herkam. Sie überließ es Richard, mit ihm zu sprechen.
»Wie geht es Van Ryker?« fragte Loder. »Sie haben ja gerade mit ihm gesprochen.«
»Gut, scheint es«, sagte Richard Paterson.
Pause. Die eisige Ablehnung des Group-Captains war nur allzu deutlich.
Schließlich fühlte sich Rachel verpflichtet, das peinliche Schweigen zu brechen, irgend etwas zu sagen.
»Er hat nach irgend jemand gefragt, nicht, Liebling? Nach irgendeinem Russen, nicht?«
»So?« Loder blickte fragend.
»Sverdlov«, antwortete Paterson. »Er sagte, daß Sverdlov offenbar nicht anwesend sei heute abend. Ich habe ihn auch nicht gesehen.«
»So«, sagte Loder noch einmal. »Nun, da Sie davon sprechen: Es stimmt. Ich habe ihn auch nicht gesehen.«
Er steckte seinen Finger unter den Kragen und kratzte sich am Hals.
»Sie entschuldigen mich.«
Er ließ sie stehen und wanderte weiter.
Der Mann, den er suchte, unterhielt sich gerade mit der mittelalterlichen Frau eines Senators. Ohne weitere Umstände tippte ihn Loder auf den Rücken.
»Commander Buckley?«
Der Amerikaner drehte sich um und schien sogar erfreut, Loder zu sehen. Er machte Anstalten, ihn vorzustellen, doch Loder unterbrach ihn sofort ziemlich unhöflich: »Ich hätte Sie gern gesprochen. Kommen Sie mit auf einen Drink.«
Der Commander entschuldigte sich bei der Dame, er war ein Marineoffizier außer Dienst und bekannt für seinen Charme. Soweit es Frauen betraf. Die Mitarbeiter seiner Dienststelle nannten
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