Weißer Mond von Barbados
aufgeputzte Kleider. Richard, der einen guten Geschmack besaß, seufzte leise vor sich hin, als er sie an diesem Abend in dem babyblauen, mit Glitzerzeug geschmückten Cocktailkleid erblickte.
»Ich komme schon, Darling; ich suche bloß noch ein Taschentuch. Es ist ja erst halb sieben.«
»Der Botschafter wird bestimmt um sieben da sein. Ich möchte nicht gerade zur gleichen Zeit mit ihm eintreffen. Nun beeil dich schon, um Himmels willen. Hast du endlich dein Taschentuch?«
Sie schlüpfte in ihren Mantel und folgte ihm die Treppe hinab. Früher, als sie noch in London lebten, wo er beim Luftfahrtministerium arbeitete, hätte dieser Wortwechsel bestimmt mit einem Streit geendet, sie hätte geweint und wäre zu Hause geblieben. Doch das war anders geworden. Seit sie zu ihm in die Staaten gekommen war, bemühten sie sich beide, Streit zu vermeiden und miteinander auszukommen.
Nach zwei Jahren hatten die Schwierigkeiten in ihrer Ehe begonnen. Entweder sie stritten sich, oder sie gingen sich aus dem Wege. Rachel besann sich wieder auf ihre Familie und auf ihre Freunde, er beschäftigte sich mit seiner Karriere. Nachdem er zum Group-Captain befördert worden war, bot man ihm den Posten in Washington an. Das war zuviel für Rachel. Die Vorstellung, ihre Heimat zu verlassen und in einem fremden Land zu leben, versetzte sie in Schrecken. Sie war jedoch schlecht beraten, als sie ihn vor die Wahl stellte, entweder die Ehe mit ihr aufrechtzuerhalten oder die Arbeit in Washington aufzunehmen. Er hatte sich für Washington entschieden!
Nachdem er fort war, machte man ihr Vorwürfe; die Familie und ihre Freunde bedauerten den armen Dick, der so allein in der Fremde leben mußte, und sie fühlte sich mehr und mehr schuldig. Außerdem vermißte sie ihn. Das Leben ohne Ehemann war irgendwie inhaltslos, und in ihrem kleinen hübschen Londoner Haus kam sie sich sehr verlassen vor.
Nach einem Familienrat schickte ihm Rachel eines Tages ein Telegramm und buchte einen Flug nach Washington. Und siehe da, es ging sehr gut. Nun bekam sie ein Baby. Sie kannte schon eine ganze Menge Leute in Washington, hatte sogar schon einige Freundschaften geschlossen und fühlte sich ganz wohl. Seine gelegentlich schlechte Laune ertrug sie stumm und drang auch nicht weiter in ihn, um zu erfahren, warum er eigentlich jede Woche nach New York fuhr. Sie hatte aus ihren Erfahrungen gelernt. Er war nun einmal ein schwieriger Mann, reizbar, distanziert. Aber sie liebte ihn, und wenn sie in einigen Monaten das Kind haben würde, dann bekam ihr Leben einen neuen Sinn. Selbst wenn er gewollt hätte, wäre es ihm nicht gelungen, ernsthaft mit ihr zu streiten. Allerdings wußte sie nichts von der Existenz einer Judith Farrow.
»Tut mir leid, daß du warten musstest, Darling«, sagte sie im Auto und berührte leicht seinen Arm. »Schau mal, sieht das nicht hübsch aus mit all dem Schnee?«
»Ja«, sagte er, »sehr hübsch.«
»Übrigens hat mich Mrs. Stephenson für nächsten Dienstag zum Lunch eingeladen«, sagte sie.
Es hatte ihn überrascht und gleichzeitig erfreut, wie freundlich man Rachel aufgenommen hatte. Selbst die kritischsten Damen der Botschaft, allen voran Mrs. Fergus Stephenson, die Frau des Gesandten, schien Rachel leiden zu mögen und nannte sie sogar charmant, was Richard veranlaßte, sich seine Frau etwas näher anzusehen. Zu der Zeit waren seine Gedanken noch ganz von Judith ausgefüllt. Jedes Mal wenn er Judith sah, kam ihm seine Frau im Vergleich zu ihr absolut unmöglich vor. – Ein oberflächliches, uninteressantes kleines Ding, mit dem man nichts anfangen konnte.
»Es wäre gut, wenn du dich mit ihr verstehst«, sagte er. »Stephenson wird wahrscheinlich Botschafter in Paris; er ist ein ausgezeichneter Mann.«
»Keine Bange«, sagte sie, »ich mach' das schon richtig. Vergiß nicht, ich bin schließlich als höhere Tochter erzogen und darum gewöhnt, vorgesetzte Damen respektvoll zu behandeln. Siehst du, wir sind schon da, und es ist noch fünf Minuten vor sieben. Zufrieden?«
»Ja«, sagte Richard, »aber zieh schnell deinen Mantel aus und fang nicht erst groß an, deine Nase zu pudern.«
Die Französische Botschaft residierte in einem großen prächtigen Gebäude in der Kalorama-Road. Richard und seine Frau begrüßten den Botschafter und seine attraktive Frau und begaben sich dann unter die Leute, die den Empfangssalon bevölkerten. Sie hatten kaum die ersten Grußworte getauscht, als der britische Botschafter angekündigt
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