Weißer Mond von Barbados
Judith. »Vielleicht habe ich schon einen kleinen Akzent, ich arbeite seit vier Jahren in den Staaten.«
»Was arbeiten Sie denn?«
»Bei den Vereinten Nationen«, antwortete sie. »Und Sie sind Russe, nicht?«
Er stand auf. »Feodor Sverdlov.«
Ein schlanker großer Mann in Shorts, die Füße in alten Tennisschuhen. Sein Körper war bronzebraun. Er lehnte sich vor und streckte ihr die Hand herüber. Judith richtete sich auf und ergriff kurz seine Hand. Sie kannte schon die russische Sitte des Händeschüttelns. Es schien ein Ausdruck der Verständigungsbereitschaft bei ihnen zu sein. Sie schüttelten einem zur Begrüßung heftig den Arm, und sie taten es wieder, wenn sie sich verabschiedeten. Wie die westlichen Diplomaten inzwischen wußten, war es ein schlechtes Zeichen, wenn sie den Händedruck unterließen, das bedeutete meist die Eröffnung von Feindseligkeiten.
»Ich lebe auch in den Vereinigten Staaten. Ich arbeite bei unserer Botschaft in Washington. Sie kennen doch sicher Washington?«
»O ja«, sagte sie, »ich kenne es.«
Vier Tage und vier Nächte hatte sie versucht, sich abzulenken, aber wie sich nun erwies, hatte Richard Paterson in den Kulissen gewartet, auf das Stichwort Washington war er mitten auf der Bühne.
Sie stand hastig auf.
»Ich gehe schwimmen«, sagte sie. »Ehe es anfängt zu regnen.«
»Eine gute Idee«, erwiderte der Russe. »Ich komme mit.«
Daran konnte sie ihn nicht hindern.
Als es zu regnen begann, waren sie draußen im Meer. Kleine heftige Brecher wischten ihnen über das Gesicht. Er warnte sie vor den scharfen Korallenriffen, an denen man sich die Füße blutig schneiden konnte, und sie bemühte sich, möglichst flach zu schwimmen. Langsam wurde sie müde. Doch er schwamm immer noch mit langen gestreckten Zügen wie ein trainierter Sportler.
Offensichtlich war er in bester Form. Sie legte sich auf den Rücken und ließ sich treiben. Der kurze heftige Regenschauer hörte so schnell wieder auf, wie er gekommen war. Und sofort brach die Sonne hervor, am Strand erschien das bunte Urlaubsvolk wieder.
»Machineel«, Sverdlov schwamm jetzt neben ihr. »So heißt er.«
»So heißt wer?«
»Der giftige Baum. Gerade ist es mir eingefallen. Schwimmen wir jetzt zurück und trinken eine Tasse Kaffee zusammen?«
Als sie aus dem Wasser wateten, griff er plötzlich nach ihrem Arm und zog sie zur Seite.
»Vorsicht! Hier sind wieder Korallen. Sie müssen sich Badeschuhe kaufen. Nach dem Lunch werden wir in die Stadt fahren, ich kenne da einen Laden, wo ich mir auch Schuhe gekauft habe.«
»Nein, danke«, sagte Judith kühl. »Ich will heute nicht in die Stadt. Ich möchte lieber am Strand bleiben.«
Er ließ ihren Arm los und ging stumm neben ihr her.
Natürlich brauchte sie Badeschuhe, aber sie würde trotzdem nicht mit ihm nach Bridgetown fahren. Er sollte sich bloß nicht einbilden, daß sie ab sofort ihren Urlaub in seiner Gesellschaft verbringen würde. Sie war nicht nach Barbados gekommen, um sich einen neuen Mann zu angeln. Bei Gott nicht.
»Ich werde uns Kaffee bestellen«, sagte Sverdlov.
Judith streckte sich auf einer Liege aus und legte zum Schutz vor der Sonne einen Arm über die Augen. So lag sie noch, als er zurückkam. Er blieb stehen und blickte auf sie herab. Er liebte keine üppigen Frauen, diese Frauen mit den großen mütterlichen Brüsten, was man in seiner Heimat als erotisch empfand. Seltsam, daß auch die Amerikaner so viel Gefallen an schwellenden Busen hatten. Beide Gesellschaftssysteme verrieten damit eine gewisse Unsicherheit des Mannes, der in einer Frau das schützende Muttertier suchte.
Ihm gefiel der Körper dieser Engländerin, er war schlank und gestreckt, mit mädchenhaften Formen, erst wenig gebräunt von der Sonne. Ohne sich zu rühren, sagte er: »Wenn Sie mir Ihre Schuhgröße verraten, werde ich in die Stadt fahren und Badeschuhe für Sie besorgen.«
Sie fuhr auf. Im weichen Sand hatte sie seine Schritte nicht gehört.
»Ich will Ihnen nicht auf die Nerven gehen«, fuhr er fort, »aber Sie müssen Schuhe haben. Wenn Sie sich die Füße verletzen, wird Ihr ganzer Urlaub verdorben sein.«
Es irritierte Judith, wie er da so stand und auf sie herabblickte mit diesem seltsam eindringlichen Blick. »Bitte, setzen Sie sich doch«, sagte sie, »sicher wird man gleich den Kaffee bringen.«
»Danke«, sagte er. »Darf ich ihn in Ihrer Gesellschaft trinken? Oder haben Sie etwas dagegen?«
»Nein, natürlich nicht. Und es ist sehr nett, daß
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