Weißer Mond von Barbados
nachzudenken, was Sverdlov dort wirklich tat.
Gegen Ende der Woche war Loder bei einer Konferenz der Geheimdienste zugegen, die Buckley einberufen hatte. Sie trafen sich in Buckleys Büro in Georgetown. Buckley wohnte auch in diesem Haus, einem schönen alten Gebäude aus der Residentenzeit. Offiziell galt er als der oberste Verwalter der Versicherungs- und Versorgungskassen der Marine. Es gab außerdem noch eine ansehnliche Anzahl von Büros in der Pennsylvania Avenue, die auch unter seiner Leitung standen. Aber interne Besprechungen wie diese hielt er für gewöhnlich in seinem Haus ab.
Holländer, Franzosen, Belgier und alle anderen, die zu dem notgedrungenen Bündnis gegen den Ostblock gehörten, saßen rund um des Commanders polierten Tisch, rauchten und hatten ihre Drinks vor sich stehen.
Der Grund für dieses Zusammentreffen war: die NATO-Mitglieder über die Tätigkeit des Colonel Feodor Sverdlov zu informieren.
Loder fing einen kurzen feindlichen Blick des Amerikaners auf, als dieser seine Papiere vor sich auf dem Tisch zurechtlegte. Das machte Loder aufmerksam. Buckley wußte etwas. Und das, was er wußte, war ungünstig für die Briten.
»Meine Herren, ich habe hier einen ausführlichen Bericht darüber, wie unser Freund Sverdlov seine Ferientage unter südlicher Sonne verbringt. Wir haben diesen Bericht der Regierung von Barbados zu verdanken, sie war wirklich außerordentlich kooperativ.«
Niemand sagte etwas. Loder zündete sich eine Zigarette an und wartete.
»Soweit«, begann der Commander mit monotoner Stimme, »hat er nichts Verdächtiges getan. Er benimmt sich wie jeder normale Mensch, der Urlaub macht. Er hat sich sogar eine Freundin angelacht.« Buckley schaute sich im Kreise um, schließlich blieb sein Blick auf Loder haften. »Eine Engländerin«, sagte er maliziös. »Er ist, wie man so sagt, ihr ständiger Begleiter. Sie essen jeden Abend zusammen. Und außerdem wohnen sie im gleichen Hotel.«
»Sie wissen ihren Namen?« fragte Loder kurz.
»Natürlich.« Der Commander blickte in seine Papiere. »Judith Farrow. Witwe. Arbeitet bei Sam Nielson als seine persönliche Assistentin.«
Verdammt, dachte Loder. Das war böse. Das gefiel ihm gar nicht.
»Und Sie glauben, das war der Grund seiner Reise – dieser Kontakt?«
Diese Frage kam von dem Holländer, Van Ryker.
»Kann sein. Nielson hat schließlich einen wichtigen Posten. Und diese Frau hat sicher Zugang zu allem, was dort vorliegt.«
»Wenn Sie mich fragen«, meinte Loder, »ist er doch wohl eine Nummer zu groß, um eine kleine Sekretärin zu ködern, noch dazu auf so umständliche Weise. Das hätte doch irgendeiner von ihren Playboys besorgen können, die sie für diesen Zweck halten.«
»Der Meinung bin ich auch«, gab Buckley freundlich zu. »Möglicherweise ist es nur ein Zufall. Unerfreulich ist es auf jeden Fall.«
»Nicht unbedingt«, sagte Loder aggressiv. Dieser eingebildete CIA-Bastard ging ihm immer mehr auf die Nerven. »Sie tun ja gerade so, als hätte sie ihm schon sonst was für Geheimnisse verraten.«
»Das hat niemand gesagt«, verwahrte sich Buckley. »Aber natürlich müssen wir uns darum kümmern.«
»Das ist meine Sache«, knurrte Loder. »Wenn Sverdlov eine englische Staatsangehörige kontaktet hat, dann gehört es in mein Ressort, das nachzuprüfen.«
»Das ist genau das, was ich denke«, sagte der Commander liebenswürdig. Es tat ihm gut, daß er dem Engländer eins hatte auswischen können. SIS und CIA arbeiten zusammen, natürlich, doch von Freundschaft war deswegen keine Rede. Es war mehr Rivalität. Und die Engländer hatten bisher noch immer den Finger draufgelegt und mit Spott nicht gespart, wenn der CIA Fehler gemacht hatte. Das war nicht vergessen und mußte zurückgezahlt werden.
»Sonst ist nichts zu berichten über Sverdlov. Er hat seinen Rückflug für nächste Woche gebucht. Und soweit wir erkennen können, ist in der Sowjetischen Botschaft kein neuer Mann eingetroffen. Also gibt es auch wohl keinen Wechsel. Er macht mal eben gerade Urlaub mit Mrs. Farrow.«
Mit Wonne hätte Loder dem Amerikaner einen Hieb auf seine große Nase versetzt. Aber er sagte nichts. Das ganze war ein Schlag. Aber der Amerikaner wußte Gott sei Dank nicht alles. Die Erleichterung darüber ließ Loder schweigen. Mrs. Farrow war Sam Nielsons persönliche Mitarbeiterin und hatte zweifellos Zugang zu allen Akten, wie geheim und wichtig sie auch sein mochten.
Aber, was viel schlimmer war, sie war die Geliebte des
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