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Weißer Mond von Barbados

Titel: Weißer Mond von Barbados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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sagte Fergus. »Er ist ein Mann von Geschmack. Ich hatte heute abend Gelegenheit, ihn etwas besser kennen zu lernen. Er gefällt mir.«
    »Oh?« Die Augenbrauen über den feindseligen blauen Augen hoben sich. »Nein, wirklich? Nein, Liebling – ist er auch von der Sorte?«
    Er ging hinaus und schloß die Tür hinter sich, ohne ihr zu antworten. Das war das beste. Bei einem Streit mit ihr zog er sowieso den kürzeren. Er war ein friedvoller Mensch, und er besaß nicht das Talent, mit Worten zu verwunden.
    Wenn sie solche Bemerkungen machte wie eben jetzt, kam sie ihm geradezu obszön vor. Und er hatte dann nur einen Wunsch, sich möglichst schnell und möglichst weit von ihr zu entfernen.
    Darum ging er jetzt auch nicht zu Bett, sondern wieder die Treppe hinab in sein Herrenzimmer, setzte sich hin und spielte noch mal die letzte Platte, die er eben mit Loder angehört hatte.
    Es war das Kyrieeleison, gesungen vom Chor der St. Peterskirche. Irgendwie war es ein tröstlicher Gedanke, daß diese gleiche Musik schon vor achthundert Jahren erklungen war. Die Männer, die zu den Kreuzzügen aufbrachen, hatten sie gesungen zu ihrem Kampf gegen die Ungläubigen.
    In Judiths Büro klingelte das Telefon, und die Telefonistin sagte: »Mrs. Farrow, hier ist ein persönliches Gespräch für Sie. Ein Mr. Sverdlov ist am Apparat. Soll ich verbinden?«
    Ihr Herz begann sofort wild zu schlagen. Sie hob die Hand und preßte sie an die linke Brust, gleichzeitig dachte sie, wie lächerlich sie sich benahm, wie eine Heroine in einem alten Drama.
    Das ganze Wochenende über, jedesmal wenn das Telefon läutete, hatte sie erwartet, seine Stimme zu hören.
    Als nichts geschah, dachte sie, er würde wohl nie mehr etwas von sich hören lassen. Daß er im Büro anrufen würde, hatte sie nicht gedacht.
    »Mrs. Farrow! Soll ich verbinden?«
    »Ja«, sagte Judith. »Danke.«
    Am Telefon hörte man seinen russischen Akzent deutlicher.
    »Hallo«, sagte er, »wie geht's?«
    »Mir geht's gut«, sagte sie. »Und dir?«
    »Mir geht's auch gut. Und damit wollen wir dieses Thema abschließen. Ich möchte dich sehen. Willst du heute abend mit mir essen?«
    Sie schwieg. Was hatte Loder gesagt? ›Er wird den Kontakt zu Ihnen wieder aufnehmen. Versprechen Sie mir, daß Sie mich sofort verständigen.‹
    »Nein«, sagte sie mühsam. »Nein, ich denke, das sollten wir nicht tun.« Es fiel ihr nicht einmal eine glaubwürdige Entschuldigung ein.
    »Oh! Du hast offenbar … Besuch gehabt?«
    »Ja. Genau wie du vorausgesagt hast.«
    »Und nun hast du Angst, mich zu treffen?«
    Seine Stimme! Wie vertraut sie war! Es kam ihr vor, als stünde er hier neben ihr im Zimmer.
    »Ich habe keine Angst. Warum sollte ich?«
    Sie hörte, wie er lachte. »Dann treffen wir uns, wenn du Dienstschluss hast. Wann ist das?«
    Sie dachte an Loder.
    »Um sechs, halb sieben. Aber bist du sicher, daß es richtig ist … ich meine, auch für dich?«
    »Ganz und gar richtig«, sagte er. »Richtig und wichtig und dringend nötig. Du hast mir so gefehlt. Mein Wochenende war trostlos.«
    Plötzlich lächelte sie. »Meins auch. Wo treffe ich dich?«
    »In einem Wagen. Gleich um die Ecke der 98. Straße. Halb sieben genau.«
    »Gut. Halb sieben.«
    Er sagte nicht auf Wiedersehen, legte einfach auf.
    Sie saß bewegungslos und hielt den Hörer noch eine Weile in der Hand.
    Die Tür zu Nielsons Zimmer war offen, er mußte jedes Wort gehört haben. Nun – das ergab nicht viel Sinn. Sie stand auf und ging zu ihm hinein, um die Nachmittagspost zu besprechen.
    Pavlov Ilyievitsch Golitsyn war siebzig Jahre alt; geboren in der Ukraine, als der letzte Zar im sechsten Jahr das Russische Reich regierte.
    Seine Urgroßeltern waren noch Leibeigene gewesen. Sein Großvater wurde ein freier Bürger durch die Verfügung des liberalen Zaren Alexander II, der zum Dank für sein fortschrittliches Denken von der Bombe eines Attentäters zerfetzt wurde.
    Die Hütte, in der Golitsyn geboren wurde, stand in einem Dorf, das zum Besitz eines Moskoviter Großfürsten gehörte, den niemand je gesehen hatte. Der prächtige Palast, das endlose Land, Park und Garten wurden niemals von seinem Eigentümer besucht.
    Dem Großfürsten gehörte alles, genau wie es dessen Vorfahren schon gehört hatte, nur daß früher auch die Menschen Eigentum des Großfürsten gewesen waren. Es gab eine Schule, die Golitsyn besuchte, und anders als die meisten anderen Kinder bemühte er sich, etwas zu lernen.
    Als er die Schule verließ,

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