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Weißer Mond von Barbados

Titel: Weißer Mond von Barbados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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frisiert. In jedem ihrer kleinen Ohren trug sie eine große blanke Perle. Wirklich sehr hübsch. Sehr appetitanregend. Wie so ein kleines Fondant mit einem rosa Eisklecks obendrauf. Der Typ, der im Munde eines Mannes schmelzen konnte, ganz von allein.
    Wenn er bisher unsicher gewesen war, nun war er es nicht mehr. Die Art, wie sie ihre Brust zur Schau stellte, verriet sie.
    Golitsyn hatte also ein ›Täubchen‹ auf ihn angesetzt. Vermutlich hoffte er, Sverdlov sei vom Urlaub her noch entspannt und nicht auf der Hut.
    Er würde sie behalten. Wenn sie Kalinin absichtlich entfernt hatten, dann würde er auch nie wiederkommen. Und wenn er diese hier nicht behielt, würde man sie durch einen anderen Spitzel ersetzen.
    »Und wie gefällt es Ihnen bei mir?« fragte er. »Würden Sie gern bei mir arbeiten?«
    »O ja.«
    »Es wird viel Arbeit sein. Daß Sie sich darüber klar sind.«
    »Ich werde mein Bestes tun, um Sie zufrieden zu stellen, Genosse Sverdlov.«
    »Ja«, sagte er und lächelte immer noch. »Ja, ich zweifle nicht daran.«

5
    »Setzen Sie sich, Richard. Tut mir leid, daß ich Sie stören mußte. Aber ich wollte Sie sprechen, ehe ich heute nachmittag nach New York fliege.«
    Fergus Stephenson öffnete die Zigarettendose und schob sie über den Schreibtisch. Richard Paterson nahm sich eine Zigarette und zündete sie an.
    »Aber ich bitte Sie, Sir. Ein herrlicher Tag heute, nicht?«
    »Ja«, sagte Fergus, »ganz wunderbar. Hoffentlich bekommen wir dieses Jahr einen schönen Frühling. Voriges Jahr war wirklich sehr schlechtes Wetter. Aber da waren Sie ja noch nicht hier.«
    »Nein«, antwortete Paterson. Er rauchte und wartete, was der Gesandte wollte. Die Technik war hier anders als beim Militär. Der Begriff diplomatisch verpflichtete nun einmal zu einer gewissen Verhaltensweise, unter anderem zu Takt und gesellschaftlichem Feingefühl. In der gewöhnlichen Sprache, in der Sprache der gewöhnlichen Welt, wurde der Begriff oft mißverstanden. Oder doch nicht? Man nannte es diplomatisch, wenn jemand etwas Unangenehmes auf angenehme Weise sagte.
    Und das war es doch offenbar, was Fergus Stephenson tun wollte. Überdies war es so ganz und gar typisch englisch, Diplomatensprache oder nicht, zunächst einmal vom Wetter zu reden, als ob der herrliche Sonnenschein dieses Morgens ihnen auch nur im geringsten weiterhelfen konnte.
    Richard beobachtete Fergus Stephenson und bemerkte nicht ohne Befremden, daß unter dem dünnen Haaransatz ein paar Schweißtropfen standen. Offensichtlich fiel es Stephenson schwer, zu sagen, was er zu sagen hatte.
    »immerhin, Sie haben sich doch hier gut eingelebt, nicht? Oder fühlen Sie sich nicht glücklich? Ich kann mir vorstellen, daß es im Anfang schwierig für Sie war, ich meine, als Ihre Frau noch nicht da war. Es ist nicht so einfach, ein Strohwitwer zu sein.«
    »Danke, mir geht's gut. Ich fühle mich sehr wohl hier«, sagte Richard. »Und natürlich ist es viel besser nun, seitdem Rachel da ist. Es gefällt ihr sehr gut in Washington, sie ist froh, daß jedermann nett zu ihr ist. Besonders Ihre Frau. Rachel bewundert Mrs. Stephenson sehr.«
    »Ah, ja? Das ist fein. Meine Frau mag Rachel sehr gern«, sagte Fergus. – Also kamen sie der Sache schon näher, Paterson gab ihm genau die richtigen Stichworte.
    »Ich hatte auch einige Positionen, wo ich allein blieb, weil Margret mich nicht begleiten konnte. Ich fühlte mich da immer sehr einsam. Und langweilig war es natürlich auch. Besonders die Abende, nicht? So ähnlich wird es Ihnen ja auch ergangen sein während der ersten Monate.«
    Jetzt begriff Paterson, wo das hinführen sollte. Er drückte sorgfältig seine Zigarette aus und überlegte. Wenn er jetzt ungeschickt war, konnte ihm das bei seiner weiteren Karriere schaden. So wie er Stephenson beurteilte, würde es töricht sein, zu lügen.
    Er blickte Stephenson ernst und ein wenig reuevoll an. »Ich war verdammt einsam«, sagte er wie mit plötzlichem Entschluß. »Und um ehrlich zu sein, es gab seinerzeit Unstimmigkeiten zwischen Rachel und mir. Sie wollte England partout nicht verlassen. Aber mir lag sehr viel an diesem Posten hier. Zweifellos habe ich mich töricht benommen. Ich nehme an, das ist es, was Sie mit mir besprechen wollen, Sir.«
    »Nein, nein«, sagte Fergus, »keine Vorhaltungen, um Gottes willen. Ich bin dagegen, sich in andrer Leute Privatleben einzumischen, Richard. Dazu hat meiner Meinung nach niemand ein Recht. Aber leider, die Sache ist … nun ja,

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