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Weißer Mond von Barbados

Titel: Weißer Mond von Barbados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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liebsten hätte er ein Fenster geöffnet.
    Zu seiner Überraschung brach sie auf einmal das Schweigen.
    »Das dürfte ganz interessant heute abend werden. Wie ich gehört habe, steht ein Wechsel in der Brasilianischen Botschaft bevor.«
    »Ja«, erwiderte er. »Es geht das Gerücht.«
    »Ist denn das für dich nicht interessant? Mußt du nicht all diese Gerüchte aufsammeln, um sie deinen Freunden mitzuteilen?«
    »Nein«, sagte er ruhig. »So etwas nicht.« – Jetzt war es also soweit. Sie würde sprechen.
    »Du beschäftigst dich wohl nur mit wichtigen Geheimnissen, wie?«
    »Das stimmt.«
    »Nur Hochverrat. Wennschon, dennschon. Was würde mit dir passieren, wenn es herauskommt?«
    »Dasselbe, was mit anderen passiert ist. Es sei denn, ich wäre gewarnt und könnte vorher fliehen.«
    Er beugte sich vor, um sich zu vergewissern, daß die Scheibe zwischen dem Fond und dem Fahrersitz geschlossen war. »Ich versuche mir vorzustellen, wie du in einem dreckigen kleinen Zimmer in Moskau lebst. Trotz deiner komischen Ideale würdest du dich etwas merkwürdig dort ausnehmen, finde ich. Aber es wäre vermutlich immer noch besser als im Gefängnis.«
    »Darf ich dich bei dieser Gelegenheit fragen, zu welchem Entschluß du gekommen bist?«
    Sie wandte langsam den Kopf und blickte ihn an. Ihr Gesicht war wie aus Stein.
    »Ich bin zu dem Entschluß gekommen, das zu tun, was für mich das beste ist. Ich schwöre dir, Fergus, ich täte nichts auf der Welt lieber als dich anzuzeigen, damit du die Strafe bekommst, die du verdienst. In den letzten beiden Tagen habe ich nichts anderes getan, als mir den Kopf darüber zerbrochen, was ich tun soll. – Ich hasse dich, du hast mein Leben verdorben. Ich bin nie glücklich mit dir gewesen. Und seit damals, als ich erfuhr, warum ich nicht mit dir glücklich sein konnte, ist mein Leben verdorben. Mit einem Schwulen verheiratet zu sein – darüber kann ich nie hinwegkommen. Das ist schlimmer als alles andere.
    Das einzige, was mich entschädigt hat, was mir Freude gemacht hat, ist meine gesellschaftliche Stellung. Wir haben uns von Posten zu Posten durchgearbeitet, jetzt könnte ich belohnt werden für dieses elende Leben an deiner Seite, jetzt wirst du endlich Botschafter werden – das ist die nächste Station. Dafür lebe ich. Und nun kommt das! Nun erzählst du mir seelenruhig diese ungeheuerlichen Dinge. Fergus! Ich kann dich vernichten. Und du kannst mir glauben, es gibt nichts auf der Welt, was ich lieber täte. Ich sage es noch einmal. Es wäre mir eine Genugtuung, dich für den Rest deines Lebens im Gefängnis zu wissen. Und am besten wäre es, wir hätten noch die Todesstrafe, und ich könnte zusehen, wie man dich aufhängt. – So sind meine Gefühle dir gegenüber, damit du dir darüber klar bist. –
    Aber ich denke zuerst an mich. An mich und an die Kinder. Wenn du zugrunde gehst, mit diesem Skandal zugrunde gehst, bin ich auch erledigt. Ich will verdammt sein, wenn ich das auch noch hinnehme.«
    Sie öffnete die Handtasche, zog ein Taschentuch heraus und tupfte sich nervös über die Lippen.
    »Ich habe mein Leben lang für deine Karriere gearbeitet. Nicht für dich! Für deine Karriere! Denn deine Karriere ist meine Karriere. Ich will endlich eine Botschaft haben. Ich will sie für mich, nicht für dich. Und ich werde sie bekommen.«
    »Ich verstehe«, sagte er. Er war wie narkotisiert von dem Hass und der Verachtung, die ihm aus ihren Worten, aus ihren Augen entgegenschlugen. Im Moment empfand er gar nichts. – »Du hast dich also demnach entschieden, das – diese Sache für dich zu behalten. Ich danke dir.«
    »Wage es nicht, mir zu danken, du Schwein!«
    Ihr Gesicht war plötzlich so nahe vor ihm, daß er ihren Atem spürte.
    »Wage es nicht, mir zu danken! Hast du denn nicht verstanden, was ich sagte? Du könntest vor die Hunde gehen, ich würde mich nicht einmal nach dir umsehen. Ich denke nur an mich. An mein Leben. An meine Interessen. Ich denke auch an die Kinder. Du hast mir früher immer vorgeworfen, ich sei keine mütterliche Frau. Das stimmt. Aber in diesem Fall denke ich an die Kinder. Du wirst ihr Leben nicht verderben, wie du meines verdorben hast. – Darum werde ich schweigen. Aber du wirst sofort aufhören damit, das verlange ich von dir. Denn du bildest dir doch nicht ein, daß man dich nicht doch eines Tages erwischen wird. Jeder wird erwischt. Du bist nicht klug genug, ich habe dich ja jetzt auch erwischt. Das beweist, daß du nachlässig

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