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Weißer Mond von Barbados

Titel: Weißer Mond von Barbados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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dort können Sie sich ein Weilchen hinlegen.«
    Rachel folgte Mrs. Stephenson erleichtert.
    »Legen Sie sich hin«, sagte Margret. »Tun Sie ruhig die Füße hinauf. Ich weiß, wie elend man sich in diesem Zustand fühlen kann. In ein paar Minuten wird Ihnen besser sein.«
    Eine dicke Träne rann über Rachels Wange.
    »Ich habe zuviel getrunken«, murmelte sie, »es ist nur … ich bin so unglücklich.«
    Margret setzte sich auf die Bettkante und holte ein Taschentuch aus ihrer Handtasche. »Da, nehmen Sie das. Was ist los, Mrs. Paterson?«
    »Ach, es ist wegen Richard«, stieß Rachel hervor. »Er ist … ich sollte nicht darüber sprechen. Richard wäre wütend. Ach, ich bin so unglücklich. Darf ich einen Moment in diesem Zimmer bleiben? Ich komme dann später herunter. Verzeihen Sie bitte, ich hätte nichts sagen dürfen.«
    »Man muß auch einmal darüber sprechen, wenn man Kummer hat«, meinte Margret. »Sie können ganz beruhigt sein, von mir erfährt niemand etwas. Vielleicht kann ich Ihnen helfen. Hier ist bloß jetzt nicht der richtige Ort. Wollen Sie morgen zum Lunch zu mir kommen? Ach nein … das geht ja nicht, ich habe schon eine Verabredung. Aber vielleicht am Vormittag zu einer Tasse Kaffee, ja? So gegen halb elf? Und dann können Sie mir erzählen, was Sie so unglücklich macht. Sie werden sehen, das wird Ihnen gut tun. Ihr Mann erfährt davon nichts.«
    Sie drückte beruhigend Rachels Hand. Natürlich war es nicht nur der Wunsch, Rachel zu helfen, der sie zur Trösterin machte. Sie erfuhr immer ganz gern einiges aus dem Privatleben der Botschaftsangehörigen, das gab ihr eine gewisse Macht. In diesem Fall kam noch dazu, daß sie Richard Paterson nicht leiden konnte. Ihn so wenig wie andere Männer. Denn trotz oder gerade wegen ihrer sexuellen Abhängigkeit hasste Margret im Grunde alle Männer. Auch das gehörte zu dem, was sie ihr verdorbenes Leben nannte. Sie hasste ihre Liebhaber genauso wie ihren eigenen Mann. Er war ein Versager, und darum brauchte sie die anderen, die sie eigentlich gar nicht wollte.
    Richard Paterson war ihr auch vom Typ her unsympathisch, sie erkannte sehr wohl, daß er ein rücksichtsloser, skrupelloser Charakter war – im Grunde ihr sehr ähnlich. Und dazu diese törichte kleine Frau, ein Musterstück ihrer Gattung, dazu geboren, von Männern benutzt, verbraucht und schließlich weggeworfen zu werden.
    »Sie müssen nicht mehr hinuntergehen«, sagte sie. »Ich werde Sie bei der Botschafterin entschuldigen, sie wird es gut verstehen, sie hat neun Kinder geboren. Ich sage Ihrem Mann Bescheid, er soll mit Ihnen nach Hause fahren. Bleiben Sie hier liegen, ich lasse Sie dann herunterholen. Und nicht vergessen, morgen halb elf.«
    Als wenig später ein Mädchen kam und Rachel holte, war sie ängstlich, was Richard sagen würde – sicher würde er ärgerlich sein. Aber er wartete bereits in der Halle auf sie und war sehr lieb und verständnisvoll. Sie bereute es, Mrs. Stephenson eine Andeutung über ihre Unstimmigkeiten mit Richard gemacht zu haben. Vielleicht würde es besser sein, am nächsten Morgen abzusagen. Eine Ausrede ließ sich leicht finden. Doch dann teilte Richard ihr mit, daß er den chilenischen Attaché und seine Frau für das nächste Wochenende eingeladen habe. Er hätte sie wenigstens fragen können, fand sie.
    »Sie ist sehr attraktiv, diese Chilenin, wie?«
    »Geradezu umwerfend«, erwiderte er ungerührt. »Und dazu noch intelligent. Man kann sich wunderbar mit ihr unterhalten.«
    »Ich hatte die ganze Zeit Angst, ihr Busen würde heraushopsen.«
    »Es wäre der Clou des Abends gewesen.«
    Um zehn Uhr am nächsten Morgen, es war Freitag, machte sie sich auf den Weg zu dem Haus der Stephensons.
    Am Donnerstagmorgen hatte Nancy ihrem Herzen Luft gemacht.
    »Was zum Teufel ist eigentlich mit dir los, Judy? Du bist dreimal heute nacht aufgestanden. Um vier Uhr hörte ich dich in die Küche gehen. Um sechs bist du auch schon wieder herumgewandelt. Nimm zur Kenntnis, daß du miserabel aussiehst.«
    Das stimmte. Judith war blaß und hatte Ringe unter den Augen. Man sah ihr an, daß sie kaum geschlafen hatte. Aber noch schlimmer fand Nancy diesen starren Ausdruck von Angst in ihrem Gesicht, eine angespannte, nervöse Angst, die sie offenbar durch ständiges Rauchen zu betäuben versuchte.
    Nancy, rosig, gepflegt und sorgfältig zurechtgemacht, wirkte dagegen wie ein Girl, das einer Kosmetikreklame entstiegen war. Mit hartem, prüfendem Blick betrachtete sie

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