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Weißer Mond von Barbados

Titel: Weißer Mond von Barbados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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wagten sich in den späten Nachtstunden noch auf die Straße oder waren so tollkühn, eine U-Bahn zu besteigen.
    Dieses Land Amerika – ein Land der Freiheit, wie es hieß. Er fand den Unterschied gar nicht so groß zu seinem eigenen Land. Die bunten Schaufenster allein machten es nicht aus. Europa würde besser sein. England und die Engländer würden erträglicher sein.
    Nicht, daß er sich törichte Illusionen machte, auch die Engländer waren kein Volk von friedlichen Lämmern. Ein Sechstel der Erde hatte dieses kleine Inselvolk einst erobert und beherrscht, diese Tatsache allein sprach eine deutliche Sprache. Man gewann ein Weltreich nicht ohne Gewalt, Brutalität, Unrecht und Blut.
    Aber heute war Großbritannien kein Weltreich mehr, und dieses Volk war klug genug, es zu wissen.
    Loder wußte es zweifellos auch. Und wie wichtig es war, sich dennoch zu behaupten.
    Sverdlov kannte die traditionelle Rivalität zwischen dem Intelligence Service und dem CIA. Die Engländer würden ihr' Versprechen halten und ihn nicht an die Amerikaner ausliefern.
    Plötzlich war er müde. Er blieb stehen und hielt nach einem Taxi Ausschau. Er wollte nicht mehr nachdenken, es war so sinnlos. Im Augenblick war es nur wichtig, den nächsten Schritt, den nächsten Tag zu bedenken. Er durfte keinen Fehler machen.
    Als er im Taxi saß, dachte er an Judith. Er brauchte ihre Hilfe und er nahm diese Hilfe. Doch es hatte nichts mit dem zu tun, was er für sie empfand. Es war für ihn eine Belastung, daß er sie in all dies hineingezogen hatte. Eine Frau gehörte für ihn in einen anderen Teil des Lebens, eine Frau sollte Freude, Sorglosigkeit und Glück bedeuten. Das war es ja, was er versucht hatte, mit Elena zu erreichen. Er wollte sie lieben und umsorgen, sie sollte der sorgfältig behütete Teil seines Lebens sein – seine Arbeit, seine Karriere, das gehörte in den anderen Teil. Elena hatte diese Teilung nicht gewollt. Ihrer Meinung nach hatte kein Mensch, auch keine Frau, ein Recht auf ein individuelles Privatleben – ihr Leben gehörte dem Staat. Alles gehörte ihm, das Denken, das Fühlen, die Arbeit. Individualismus war ein Verbrechen.
    So dachte Elena. Und so hatte er nie gedacht. Er wollte die Welt des Alltags, die Welt der Arbeit fernhalten von der Frau, die er liebte. Er wollte sie im Arm halten, sie küssen und lieben, mit ihr lachen und scherzen, er wollte sie glücklich machen und dabei selbst glücklich werden, weil er alles andere bei ihr vergessen konnte.
    So hatte es angefangen mit Judith. Schade, daß er sie jetzt in diese ganze traurige Affäre seiner Verfolgung und Flucht hineinziehen mußte.
    Aber selbst jetzt noch, wenn er bei ihr war, konnte er lachen, und wenn er sie küßte, vergaß er die Qual des Geschehens.
    Kurz nach elf kam er in der Botschaft an.
    Seine Rückkehr war das erste, was seine Bewacher, Stukalovs Männer, in ihrem Report registrierten.
    Es war nicht das erstemal, daß Loder seine Befugnisse überschritten hatte, aber er wußte genau, wann es nötig war und vor allem, was er dann zu tun hatte.
    Zur gleichen Zeit, als Sverdlov in seinem Zimmer in der Botschaft ankam, startete Loders Maschine vom Kennedy Airport. Er war immer noch sehr erregt, kaute Schokolade und machte sich Notizen.
    Sverdlov! Der erste Mann des KGB in den Vereinigten Staaten!
    Er konnte noch immer nicht an sein Glück glauben. Und nicht bloß, daß er diesen großen Fisch fing, er, Jack Loder, brachte auch noch eine extrafette Beute mit an Land. Der große Unbekannte, der gefährlichste Agent der Sowjets im Westen, der Mann, den sein Chef in London die größte Bedrohung der westlichen Sicherheit nannte, der Mann, nach dem alle verzweifelt suchten, ohne nur die geringste Spur zu haben, wo sie ihn suchen sollten, der Mann, der der gesamten NATO schlaflose Nächte bereitete, weil er Topgeheimnisse an die Sowjets verriet … der Teufel verbanne ihn in die tiefste Hölle … dieser Mann würde greifbar sein. Er, Jack Loder, würde ihn greifen können.
    Man vermutete ihn in hohen diplomatischen Kreisen. Weil er Zugang zu höchst vertraulichen Papieren besaß.
    Wenn Sverdlov Originaldokumente mitbrachte, würde sie das ausreichend informieren, um zu wissen, wo man ihn suchen konnte. Dann konnte man die Falle aufstellen, in der er sich fing.
    Blau. Treublau. Das konnte ein Hinweis sein oder auch nicht. Loder war geneigt, Sverdlov zuzustimmen, daß diese selbstgewählte Bezeichnung auf einen Engländer hinwies. Vorausgesetzt, daß

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