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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Anruf. Ich gab die Nummer ein.
    »Polizei, Abteilung Gewaltverbrechen – wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Kann ich bitte mit Inspector Jack Phatudi sprechen?«
    »Warten Sie.«
    Die Frau stellte mich durch, und es klingelte und klingelte. Schließlich kam der Anruf zur Zentrale zurück.
    »Auf wen warten Sie?«
    »Inspector Jack Phatudi.«
    »Der Inspector ist nicht da. Wollen Sie eine Nachricht hinterlassen?«
    »Ja, bitte. Sagen Sie ihm, Lemmer hat angerufen. Und sagen Sie ihm …«
    |295| »Wer?«
    »Lemmer.« Ich buchstabierte meinen Nachnamen.
    »Okay. Wie lautet die Nachricht?«
    Ich log dreist. »Bitte sagen Sie ihm, ich weiß, wer Edwin Dibakwane den Brief gegeben hat.«
    »Edwin Dibakwane?«
    »Ja.«
    »Das werde ich ihm sagen. Wie kann er Sie erreichen?«
    »Er hat meine Nummer.«
    »Okay.«
    Um ganz sicherzugehen, rief ich auch die SAPS in Hoedspruit an, um die gleiche Nachricht zu hinterlassen, aber zu meiner Überraschung
     sagten sie: »Bitte, bleiben Sie dran für Inspector Phatudi.« Dann meldete er sich mit einem unfreundlichen: »Ja?«
    »Jack, hier ist Lemmer.«
    Ein paar Sekunden Schweigen. »Was wollen Sie?«
    »Ich weiß, wer Edwin Dibakwane den Brief gegeben hat.«
    »Wer?«
    »Das kann ich Ihnen jetzt nicht sagen, Jack. Erst müssen Sie sich für gestern entschuldigen. Ihre Manieren lassen wirklich
     viel zu wünschen übrig. Ich hoffe, Ihre Mutter weiß nicht, wie Sie sich aufführen.«
    Er verlor sofort die Contenance. »Meine Mutter?«
    »Ja, Jack, Ihre Mutter. Ich bin sicher, Sie hat Ihnen bessere Manieren beigebracht. Möchten Sie sich entschuldigen?«
    Er antwortete mir auf Sepedi. Ich konnte die Worte nicht verstehen, aber ich entnahm seinem Ton, dass es keine Entschuldigung
     war.
    »Dann auf Wiederhören, Jack«, sagte ich, legte auf und schaltete Emmas Handy aus.
     
    Das dichte Unterholz zwischen Einfahrt und Haus war ein Problem. Das Gute war, dass ich darin unsichtbar sein würde – das
     Schlechte, dass ich nicht gleichzeitig alle Zufahrtswege und das Haus im Auge behalten konnte.
    |296| Ich suchte mir ein Versteck etwa zehn Meter vom Rande des Dickichts, von wo aus ich das Tor und etwas mehr als einen Kilometer
     Zufahrtsweg sowie einen Großteil des Grenzzauns sehen konnte – ohne selbst gesehen zu werden. In Nelspruit hatten keine Läden
     offen, die Ferngläser verkauften. Also würde ich ohne auskommen müssen.
    Ich entfernte Steine und Zweige, sodass ich mich bequem an einen Baum lehnen konnte. Ich legte die Glock in Reichweite, öffnete
     eine Schachtel mit zehn Twinkies, nahm den Inhalt aus der Plastikverpackung und legte die Riegel auf den umgedrehten khakifarbenen
     Buschhut, den ich im Supermarkt gekauft hatte. Es war Essen, das weder knisterte noch irgendein anderes Geräusch verursachte.
     Ich legte vier Flaschen Energade neben die Twinkies und öffnete eine. Nicht eiskalt, aber gut genug.
    Ich sah auf die Uhr. Vor knapp einer Stunde hatte ich Donnie angerufen.
    Theoretisch konnten sie jeden Augenblick kommen. Das glaubte ich jedoch nicht. Er würde zuerst die anderen Maskenmänner anrufen.
     Sie müssten über Waffen und Vorgehensweise diskutieren. Und bisher waren sie immer nachts gekommen. Ich tippte auf etwa Mitternacht.
     Vielleicht später. Aber ich würde ab sofort auf sie warten.
    Ich aß einen Twinkie. Trank Energade.
    Ich las auf der Schachtel, dass über fünfhundert Millionen dieser Dinger jährlich verkauft wurden. Seit 1930 hatten die Twinkies
     Kultstatus errungen. Präsident Clinton hatte einen in eine Zeitkapsel gelegt. Die American Association of Press Photographers
     hatte vor kurzem eine Ausstellung nur mit Fotos veranstaltet, die Twinkies zeigten. Die Leute machten sogar Hochzeitstorten
     aus den Dingern.
    Ich legte die Schachtel hin. Ich fragte mich, warum Clinton keine Zigarre in die Zeitkapsel gelegt hatte. Das hätte dem reichen
     Carel gefallen.
    Das offene Feld dort draußen lag plötzlich im Schatten.
    Die Sonne war hinter dem Mariepskop untergegangen. Es würde eine lange Nacht werden.

|297| 35
    Wenn man sich versteckt, muss man still sitzen.
    Ich kann nicht gut still sitzen. Obwohl ich versuchte, es mir in der Höhlung des Baums gemütlich zu machen, war ich nach einer
     Stunde total genervt und unruhig. Wenn ich meine Haltung veränderte, tat ich das langsam und bewusst, damit meine Bewegungen
     nicht auffielen. Aber ich wusste, dass niemand mich beobachtete. Das war eine Lektion, die ich ganz früh in meiner Karriere
     als Bodyguard

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