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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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verblassten gelben
     Vorhänge im Fenster von Haus Nummer drei und erinnerte mich daran, dass Melanie Posthumus gesagt hatte, sie habe einen hübschen
     gelben Stoff gekauft
,
und da wusste ich, wo er schlief. Ich hatte ihn gefunden: Emma le Roux, ich habe den flüchtigen Gauner Jacobus le Roux gefunden,
     auch bekannt als Cobie de Villiers; Mörder, Vermisster, Aktivist und Enigma.
    Etwas warf im dichten Gras einen plötzlichen Schatten neben mich. Jemand drückte mir zart einen Pistolenlauf gegen die Wange
     und sagte mit sehr nervöser Stimme: »Leg die Pistole hin, bevor ich dir dein verdammtes Hirn wegschieße.«

|322| 38
    Plötzliche Wut oder Angst stimuliert das Rückenmark zum Ausstoß des Hormons Epinephrin. Das weiß ich, weil ich das im Gefängnis
     auf meiner ewigen Suche nach Antworten gelesen habe. Epinephrin beschleunigt den Herzschlag, erhöht den Blutzucker und den
     Blutdruck, verengt die Pupillen – und die Kapillaren in der Haut –, sodass der Blutverlust geringer ausfällt, sollte man sich
     verletzen. Es bereitet den Körper darauf vor, eine Krise durchzustehen, und wird üblicherweise als »Flucht oder Kampf«-Reaktion
     bezeichnet.
    In den Büchern steht allerdings nicht, was dadurch im Gehirn passiert, sie ignorieren den zeitweiligen Wahnsinn, den roten
     Nebel.
    Aber wenn einem ein leicht zitternder Pistolenlauf an die Schläfe gedrückt wird, sind Kampf, Flucht oder Wahnsinn keine brauchbaren
     Antworten. Man kann dann nur um Kontrolle ringen, man muss versuchen, den Effekt des Hormons durch vollkommene Konzentration
     zu neutralisieren, langsam und tief zu atmen und totenstill dazusitzen.
    Das war nicht, was der Schatten neben mir wollte.
    Er schlug mir den Lauf heftig gegen den Schädel und sagte: »Leg das verdammte Ding hin.«
    Er klang nicht wie ein Mann, der alles unter Kontrolle hatte. Es klang angsterfüllt, eine Schrille, die mir nicht gefiel.
     Langsam senkte ich die Glock und legte sie ins Gras.
    »Wer bist du?«
    Ich wollte ihn ansehen, aber er drückte mir die Schusswaffe noch fester an die Schläfe.
    »Ich bin Lemmer«, sagte ich beruhigend.
    »Was willst du?«
    |323| »Ich arbeite für deine Schwester, Jacobus. Für Emma le Roux.«
    »Ich habe keine Schwester.« Er war wie ein überspannter Draht, und das Zittern des Laufs nahm zu; ich konnte es nicht sehen,
     aber ich spürte es knapp vor meinem Ohr. Ich fragte mich, ob sein Finger am Lauf genauso verkrampft war wie seine Stimme.
    »Dann habe ich einen Fehler gemacht. Tut mir leid.«
    Das war nicht die Antwort, mit der er gerechnet hatte. Zwei Hammerschläge meines Herzens war er sprachlos, dann sagte er:
     »Lüg nicht.«
    Ich achtete darauf, dass meine Stimme ruhig und gleichmäßig blieb. »Ich lüge nicht, Jacobus. Es tut mir wirklich leid, vor
     allem für Emma. Sie sehnt sich so sehr danach, ihren Bruder wiederzusehen. Ich glaube, sie hat ihn wirklich geliebt.«
    »Ich habe keine Schwester.« Seine Stimme wurde noch schriller. Mein Versuch, ihn zu beruhigen, war nicht sonderlich erfolgreich
     gewesen.
    »Ich weiß, Jacobus. Ich glaube dir. Jetzt ist meine Arbeit hier getan. Ich gehe jetzt und sage ihr, dass sie keinen Bruder
     mehr hat.«
    »Genau.«
    »Kann ich aufstehen? Ich gehe. Ich werde Sie nicht wieder belästigen. Die Pistole können Sie behalten.«
    Er dachte darüber nach, aber der Lauf seiner Schusswaffe löste sich ein paar Millimeter von meiner Schläfe, das konnte ich
     aus dem Augenwinkel sehen.
    »Warum hast du mich hier gesucht?« Weniger verzweifelt und schrill.
    Ganz ruhig blieb ich bei der Wahrheit. »Emma und ich waren letzte Woche hier. Ich habe in der Scheune drei Kaffeebecher gesehen.
     Aber Stef sagte, hier seien nur Septimus und er selbst. Das hat mich glauben lassen, dass sich jemand hier versteckt.«
    Er antwortete nicht.
    »Du hast die Vögel gehört, die ich aufgeschreckt habe«, sagte ich. »Du bist sehr aufmerksam.«
    |324| »Frankoline«, sagte er.
    »Du bewegst dich gut im Busch. Ich habe dich nicht gehört.«
    Er stand bloß da, unentschieden, wie ein Hund, der dem Bus hinterhergerannt war und ihn erwischte und dann nicht wusste, was
     er nun machen sollte.
    »Jacobus, ich stehe jetzt ganz langsam auf. Dann gehe ich, und du wirst nie wieder von mir hören. Meine Arbeit ist getan.«
    »Nein.«
    Ich wusste, warum ihm die Vorstellung nicht passte. »Ich werde niemandem verraten, dass du hier bist. Ich schwöre es bei Gott.«
     Vielleicht funktionierte das in Hb-Kreisen. Ich drehte

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