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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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betäubt. So etwas passiert hier.«
    Emma starrte Phatudi an, als würde sie jedes Wort auf die Wahrheit hin abwiegen. Sie starrte weiter, als er zu Ende gesprochen
     hatte, bis sie seufzte und ausatmete und ihre Schultern heruntersackten, eine Geste, die klarmachte, dass sie keine weiteren
     Fragen hatte.
    Phatudi zeigte plötzlich Mitgefühl. »Es tut mir leid«, sagte er, und ich fragte mich, was ihm eigentlich leid tat.
    Emma nickte wortlos.
    »Gestern hatte ich Ihre Nummer nicht. Ich hätte es Ihnen sonst gesagt, dass ich Ihnen meine Männer hinterherschicke. Die Leute
     hier sind sehr wütend. Sie sagen, wenn sie de Villiers finden, werden sie ihn töten. Als Sie mich auf der Polizeiwache aufgesucht
     haben … Jemand hat gehört, was Sie sagten. Danach begann ich Geschichten zu hören, wie Sie …« Der Inspector hob eine Hand
     zu seinem kahlen Kopf und kratzte sich hinter dem Ohr. Das war nicht das einzige Zeichen, dass er log. Es lag auch in seiner
     Stimme. Bisher hatten alle seine Aussagen auf festem Grund gestanden, aber bei dieser Erklärung hatte sich etwas verändert
     – da war ein Hauch von »Bitte glaubt mir« darin.
    »Egal.«
    |136| Phatudi erhob sich. »Mrs. le Roux, ich muss weiter …«
    Sein Sergeant und Constable erhoben sich ebenfalls.
    »Danke, Inspector.«
    Phatudi verabschiedete sich von ihr. Er ignorierte mich, bis er fast draußen war. Dann sah er mir in die Augen. Ich war nicht
     sicher, ob es eine Warnung oder eine Herausforderung war.
    Emma und ich blieben zurück. Sie stützte die Ellenbogen auf die Knie und ließ ihren Kopf sinken. So saß sie eine Weile da.
     Dann murmelte sie etwas.
    »Entschuldigung?«
    »Ich kann jetzt nicht da reingehen. Ich kann nicht fragen, ob Wolhuter mir etwas hinterlassen hat.«
     
    Auf der Fahrt zurück zum Mohlolobe Game Reserve bat mich Emma, an der Schlachterei in Klaserie zu halten. Sie ging hinein
     und kam fünf Minuten später mit einem in braunes Papier eingeschlagenen Päckchen heraus.
    Sie stieg ein und reichte es mir. »Das ist für Sie, Lemmer.«
    Ich nahm das Päckchen.
    »Sie können es öffnen.«
    Es war Biltong, wenigstens zwei Kilos.
    »Ich habe bemerkt, wie gut es Ihnen gestern bei Stef Moller geschmeckt hat.«
    »Vielen Dank.«
    »Keine Ursache.« Aber sie war nicht mehr die alte Emma. Ihr Strahlen war erloschen. Wir fuhren schweigend nach Mohlolobe.
     Als wir vor der Suite hielten, sagte sie mit einem Hauch Selbstironie: »Egal, ich bin wach.«
    Sie ließ mich die Bateleur-Suite von innen und außen inspizieren, bevor wir hineingingen. Die Mittagshitze hatte ihren Höhepunkt
     erreicht, eine hohe, unerträglich drückende Schwüle. Als ich ihr bedeutete, dass sie kommen konnte, verschwand sie in ihrem
     Zimmer, sie ließ die Tür angelehnt. Ich hörte die Sprungfedern des Bettes, als sie sich hinlegte. Ich wog meine Möglichkeiten
     ab. Auf der Veranda zu sitzen kam nicht in Frage. Ich griff nach einem Magazin –
Africa Geographic
– |137| und setzte mich in einen der Sessel im Wohnzimmer, wo die Klimaanlage am besten funktionierte. Ein kurzes Schläfchen würde
     nicht schaden. Ich blätterte durch die Zeitschrift und blieb an einer Doppelseite hängen:
Voll auf Achse – Honigdachse
. Das Tier, das angeblich für Frank Wolhuters Tod verantwortlich war. Cobie de Villiers hatte es als sein Lieblingstier bezeichnet.
    Ich las.
    Im Guinessbuch der Rekorde als »furchtlosestes Tier der Welt« geführt zu werden ist nicht leicht, vor allem, wenn man nur
     dreißig Zentimeter groß ist und höchstens vierzehn Kilogramm wiegt.
    Ein Mann, der sich versteckte, wenn er des Mordes verdächtigt wurde, war nicht unbedingt furchtlos.
    Der Hunger des Dachses auf Schlangen scheint unersättlich; ich habe einmal gesehen, wie ein zwölf Kilogramm schweres Männchen
     eine zehn Meter lange Schlange in nur drei Tagen gefressen hat.
Der Autor beschrieb im Folgenden einen Dachs, der eine Puffotter gefangen hatte, gebissen worden war, aber sich nach nur drei
     Stunden wieder aufrappelte und seine Beute verspeiste.
    Ich hörte Emma.
    Ich legte die Zeitschrift weg und lauschte, um sicher zu sein. Leises Schluchzen im Schlafzimmer.
    Verdammt.
    Was sollte der Bodyguard tun?
    Ich saß still.
    Ein leises Klagen wob sich in das Schluchzen; der Klang eines gebrochenen Herzens.
    Ich stand auf und ging zur Tür. Ich schaute vorsichtig hinein. Sie lag auf dem Bett, und ihr Körper zuckte beim Weinen.
    »Emma …«
    Sie hörte mich nicht.
    Ich wiederholte ihren

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