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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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sagte, es gebe positive Zeichen. »Emma ist immer noch im Koma, reagiert aber stärker auf externe
     Stimuli. Ihr Glasgow-Index liegt jetzt bei acht.«
    »Wie sehr steigert das ihre Chancen?«
    »Fragen Sie mich das noch mal, nachdem wir heute Abend den CT-Scan gemacht haben.«
    »Mehr oder weniger?«
    »Lemmer, es sind nur Vermutungen …«
    |186| »Das weiß ich.«
    »Na ja, ich würde sagen, über fünfzig Prozent.«
    »Das ist besser als die vierunddreißig Prozent von gestern.«
    »Das stimmt, aber wir sollten noch nicht aus dem Häuschen geraten. Es ist noch viel zu tun. Sie können uns helfen.«
    »Wirklich?«
    »Sie braucht Stimulation, Lemmer. Ihre Stimme ist die Einzige, die sie kennt. Ich möchte, dass Sie mit Emma reden.«
    »Ich? Mit Emma reden?«
    »Ja.« Mit großer Geduld. »Ich möchte, dass Sie sich auf den Stuhl neben ihrem Bett setzen und mit ihr reden.«
    »Wie lange?«
    »So lange wie möglich. Sie haben den ganzen Tag …«
    »Den ganzen Tag!«
    »Sie können natürlich gern etwas essen und trinken, wenn es sein muss, aber je länger Sie mit ihr reden, desto besser.«
    »Was soll ich sagen?«
    »Was Sie wollen. Sprechen Sie gleichmäßig und gerade eben laut genug, dass Emma Sie hören kann. Reden Sie mit ihr.«
    Das Leben ist ungerecht.
    Eleanor sah ganz genau, wie begeistert ich war.
    »Kommen Sie, Lemmer! Emma wird sich nicht erinnern, was Sie ihr erzählen. Holen Sie sich ein Buch und lesen Sie ihr vor. Oder
     erzählen Sie ihr die Geschichte eines Films, den Sie gesehen haben. Ganz egal. Emma braucht Sie.«
     
    Sie wirkte leblos und zerbrechlich, blass und verloren. Man hatte ihr das Haar abrasiert. Ihr Kopf und ihre Brust waren verbunden.
     Kabel klebten auf ihr, ein Tropf hing an ihrem Arm, Bildschirme und Maschinen gaben leise elektronische Geräusche von sich.
     Ihre linke Hand lag ganz still auf der Bettdecke. Ich wollte die Hand ausstrecken und sie berühren.
    Ich setzte mich neben sie aufs Bett. Ich wollte sie nicht ansehen. Schaute durch das Glas auf der anderen Seite. Dort stand
     Eleanor Taljaard und beobachtete mich. Sie nickte mir zu. Ich nickte zurück. Ich schaute Emma an.
    |187| »Es tut mir leid«, sagte ich, aber zu leise, sie würde mich nicht hören können. Ich räusperte mich. »Emma, es tut mir so leid.«
    Nur die Elektronik ihrer Lebenszeichen antwortete mir.
    Was sollte ich ihr sagen?
    »Ich, äh, die Ärztin hat gesagt, du kannst mich hören.«
    Den ganzen Tag? Unmöglich. Wo konnte ich ein Buch bekommen? Eine Zeitschrift? Eine Frauenzeitschrift könnte die Lösung sein.
    »Sie haben gesagt, heute Morgen geht es dir ein bisschen besser. Sie haben gesagt, es besteht eine gute Chance, dass du wieder
     gesund wirst. Du musst
vasbyt …
«
    Vasbyt.
Was war das für ein beschissenes Wort? Wie konnte ich jemand in einem Koma bitten, durchzuhalten? Ich war ein Idiot.
    »Emma, sie sagen, ich soll mit dir reden, weil du meine Stimme kennst.«
    Sage ihr, was du zu sagen hast.
    »Es war meine Schuld, Emma. Ich hätte dir glauben sollen. Das war der Fehler, den ich begangen habe. Ich dachte, ich wäre
     ganz besonders klug. Ich dachte, ich kenne die Menschen. Ich dachte, ich kenne dich. Aber ich hatte unrecht.«
    Sie lag bloß da.
    »Ich bringe es in Ordnung. Ich verspreche es dir.«
    Wie? Wie würde ich es in Ordnung bringen?
    »Ich weiß noch nicht wie, Emma.«
    Dann lehnte ich mich zurück und war still.
    Ich schaute hoch zum Glasfenster. Ich wollte fragen, ob ich mal schnell verschwinden konnte. Doktor Taljaard war verschwunden.
     Emma und ich waren allein. Ich sah die langsame Bewegung ihrer Brust, einatmen, ausatmen. Ihre Hand lag entsetzlich still
     da.
    Ich sammelte meine Gedanken, langsam und vorsichtig, und sagte: »Ich muss weiterreden. Du weißt, dass ich das nicht gut kann.
     Die Sache ist die, ich weiß nicht, was ich dir sonst noch erzählen soll. Sie haben mir keine Zeit gelassen, darüber |188| nachzudenken. Ich hoffe, das verstehst du. Ich gehe gleich eine Zeitschrift kaufen. Was liest du? Es gibt ja jetzt so viele
     zur Auswahl … Heute Morgen hat es wieder geregnet. Kein Gewitter wie neulich nachts, nur leichter Regen. Ich war gerade draußen.
     Das erste Mal, seit wir … Es ist jetzt nicht mehr so heiß.«
    Konnte ich eine Zeitschrift kaufen gehen?
    »Doktor Eleanor Taljaard scheint zu wissen, was sie tut. Sie ist ungefähr fünfzig. Ihr Mann arbeitet auch hier. Er heißt Koos.
     Sie sind ein interessantes Paar. Er ist kleiner als sie. Sie scheinen sich

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