Weisser Schrecken
spähte an ihm vorbei und verzog das Gesicht. Der Grund des Brunnenschachts war beunruhigenderweise immer noch nicht zu erkennen.
»Was ist das für ein Durchbruch?«, fragte er.
»Weiß nicht«, antwortete Andy. »Jedenfalls ist er so groß, dass man bequem hindurchkriechen kann. Führt, so weit ich sehen kann, in ein altes Kellergewölbe.«
Auch das noch. Andy nahm die Lampe wieder in den Mund, kletterte etwas weiter in die Tiefe und machte sich nun daran, durch das Loch in der Schachtwand zu steigen. Robert seufzte. Warum war Andy immer so sorglos? »Und?« Noch immer stand er regungslos auf der Strickleiter und klammerte sich an die Sprossen.
»Ein Kellergewölbe!«, schlug es ihm dumpf entgegen. »Es scheint früher zum Kloster gehört zu haben. Sieh zu, dass du herkommst.«
Robert machte sich weiter an den Abstieg und folgte dem schwachen Schein von Andys Taschenlampe. Tatsächlich besaß der Durchbruch in der Schachtwand die Ausmaße eines großen Fassdeckels. Andy half ihm dabei, zu ihm zu gelangen, und kurz darauf fand er sich in einem alten Tonnengewölbe wieder, in dem es nach Steinstaub und Moder roch. Die komplette Bogendecke war mit einer stark verkrusteten Schicht aus Schimmel und Salz überzogen. Zwischendrin ragten fingerdicke Tropfsteine aus einem kristallinen Material zu ihnen herab.
Robert sah sich sehnsüchtig zum Ausgang um. »Und was war das hier?«, flüsterte er.
Andys Lichtschein wanderte über ein zusammengebrochenes Fass mit verrotteten Dauben, dessen Fassreifen stark angelaufen waren. »Weiß nicht. Ein Lagerraum?« In diesem Moment traf der Lichtstrahl auf einen dunklen Gang, an dessen Zugang ein roter Nylonrucksack stand. Andy stieß einen leisen Pfiff aus. Gemeinsam öffneten sie ihn und entdeckten darin eine leere Thermoskanne sowie Karabinerhaken, Batterien sowie einen schweren Hammer zum Einschlagen der Kletterhilfen. »Können wir uns sicher sein, dass wir hier unten allein sind?«, fragte Robert. Er nahm den Hammer an sich, auch wenn er sich dadurch noch immer nicht sicherer fühlte.
»Zumindest höre ich nichts«, antwortete Andy leise. »Außerdem wissen wir doch, wo die vier sind. Ich schlage vor, wir sehen uns mal an, was Konrad hier unten getrieben hat.« Er ließ den Rucksack fallen und betrat mit der Taschenlampe in der Hand den gemauerten Gang, der weiter in die Dunkelheit führte. Auch dieser Teil der unterirdischen Anlage erweckte den Eindruck, uralt zu sein. Sie tasteten sich weiter vor, und es knirschte immerzu unter ihren Schritten. Sie ereichten nach wenigen Metern ein weiteres Gewölbe, in dem es offensichtlich einst gebrannt hatte. Wände und Decke waren mit Ruß bedeckt, und in den Ecken lagen – soweit sie das erkennen konnten – die verschimmelten Überreste verkohlter Regale. Schräg gegenüber führte ein weiteres Gangstück Richtung Nordwesten, doch er war verschüttet. Schon vor langer Zeit hatte sich dort die Decke gesenkt. Weit mehr Interesse weckte der erst kürzlich aufgestemmte Boden der alten Kammer. Die schweren Steinplatten waren offenbar unter Mühen herausgebrochen worden. Überall lagen schwere Quader herum, und linker Hand des Gewölbezugangs erhob sich ein hoher Erdhaufen, auf dem eine Schippe lag.
»Das gibt es doch nicht«, flüsterte Andy. »Haben sich Konrad und die anderen hier als Schatzsucher versucht?« Er leuchtete in das Loch am Boden, und sie entdeckten eine einfache Leiter, die ihre Rivalen aus dicken Ästen zusammengenagelt hatten. Sie reichte weitere drei Meter in die Tiefe und führte zu einem weiteren Gangstück unterhalb des Kellerbereichs, in dem sie standen. Leider waren von hier oben aus nur Teile des gestampften Lehmbodens einzusehen. Robert beschlich ein ungutes Gefühl. »Willst du da jetzt auch noch runter? Ich hoffe, dir ist klar, dass uns kein Schwein findet, wenn uns hier etwas passiert.«
»Hey, jetzt sind wir schon mal da. Wir riskieren bloß einen kurzen Blick, okay?«
»Verstehe schon, so wie bei der Leichenhalle gestern oder der Geisterbefragung vorhin im Bootshaus?«
»Mann, nun hab dich nicht so. Kann doch nicht sein, dass sich Konrad mehr traut als wir beide, oder?« Andy setzte einen Fuß auf die Astleiter und belastete sie. Sie knarrte hässlich, hielt aber. »Siehst du. Kein Grund, Schiss zu haben.« Er zwinkerte Robert zu und kletterte in die Tiefe. Obwohl er weiter zu ihm hinaufleuchtete, wurde es mit seinem Verschwinden dunkel im Gewölbe. Robert folgte ihm hastig und hatte gerade einen Fuß
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