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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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auf den unbekannten Gangboden gesetzt, als Andy erschrocken aufkeuchte.
    »Mein Gott!« Auch Robert sah jetzt, wo sie gelandet waren. Überall an den Wänden befanden sich Nischen mit geborstenen Knochen, vermoderten Kleiderresten und Totenschädeln, die ihnen mit gebleckten Zähnen entgegengrinsten.
    »Teufel, was soll denn das hier sein?«, ächzte Robert. »Eine Art unterirdisches Beinhaus?« Er folgte dem Lichtschein von Andys Taschenlampe, der über Wände und Decke huschte und dabei nur noch mehr der grässlichen Knochenfunde preisgab.
    »Weiß nicht«, flüsterte sein Freund, der vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzte und nun alles andere als zuversichtlich klang. »Offenbar so etwas wie eine Katakombe. Unter Paris soll es so etwas auch geben. Eine Lagerstätte für Tote.«
    Der Gang, in dem sie standen, war überaus niedrig und nur zu Teilen gemauert. Zumindest Andy musste aufpassen, dass er mit dem Kopf nicht gegen die Decke stieß. Da der Weg rechts an einer Wand mit zugemauerten Grabplatten endete, folgte Andy dem Gebeintunnel in gebückter Haltung nach links. Robert blieb nichts anderes übrig, als ihm langsam in der Finsternis hinterherzugehen, stets darauf bedacht, die Wände mit den vielen Menschenknochen nicht zu berühren. Doch das war ein Unterfangen, das aufgrund der Enge schwierig war. Hin und wieder knirschte es unter ihren Stiefeln, da sogar am Boden Knochenfragmente herumlagen. Darunter waren Teile von Beckenknochen und herausgelöste Zähne. Robert wirbelte herum, als er aus den Augenwinkeln heraus eine Bewegung am Boden ausmachte.
    »Andy! Da war was!« Panisch kramte er seinen Hammer hervor. Andy leuchtete das Gangstück zurück, und der Schein der Lampe riss abermals grinsende Totenschädel und gelbliche Rippenbögen aus dem Dunkel. Robert konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ihnen die Köpfe in den Nischen nachblickten. Ihn grauste es.
    »Nur eine Ratte!«, wisperte Andy und beleuchtete ein Loch am Boden. »Ich hab sie vorhin schon gesehen.«
    »Scheiße, das sagst du mir erst jetzt?« Robert packte den Hammer nur noch fester und ignorierte einen Schädel direkt neben ihm, der ihn besonders höhnisch anzustarren schien.
    »Konnte ja nicht ahnen, dass du gleich austickst. Und jetzt weiter!« Vereinzelt kamen sie an Ruhestätten vorbei, deren Öffnungen mit Steinplatten versiegelt waren. Über und auf ihnen standen schwer entzifferbare Sprüche und Psalme, von denen Robert zumindest einige kannte: »Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes. Römer 12« oder »Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. Offenb. 2«. Viele andere Inschriften waren in Latein verfasst worden. Die weitaus meisten Gebeinnischen aber waren offen. Sie bedeckten die Wände wie Waben, aus denen ihnen weitere Schädel entgegenglotzten. Viele der knöchernen Köpfe wirkten wie aufgebrochen. In anderen klafften große Löcher, von weiteren waren nur noch Knochensplitter vorhanden, unter denen allein die gelblichbraunen Zähne hervorstachen. Als wären all diese Überreste nicht bereits grausig genug, stießen sie zwischendurch immer wieder über Hohlräume, in denen die Knochen wie Mauerwerk aufgeschichtet waren.
    Andy blieb stehen und beleuchtete eine der Nischen genauer. Dort lag ein Haufen aus zersplitterten Arm- und Beinknochen. Die geborstenen Enden besaßen Ähnlichkeit mit Ästen, die von einem Orkan abgerissen worden waren. »Fällt dir etwas auf?«, wisperte er mit rauer Stimme.
    Robert besah sich die Gebeinansammlung genauer. »Himmel, die Größe der Knochen … Das hier sind die Überreste von einem Kind.« Hastig wandte er sich zu den zurückliegenden Nischen um und erblasste. »Teufel, Andy, waren wir denn blind?« Er eilte ein paar Schritte zurück, beäugte die dort aufgestapelten Knochen genauer und hob sogar seinen Unterarm zum Vergleich an. Kein einziges der bleichen Fundstücke kam über die Größe seiner eigenen Knochen hinaus. Im Gegenteil, die meisten von ihnen waren noch etwas kleiner. »Die Knochen hier unten stammen alle von Kindern«, haspelte er. »Zusammengetragen wie ein schrecklicher Kehrichthaufen. Hier unten liegt kein einziger Erwachsener.«
    »Ja, aber das ist noch nicht alles«, stöhnte sein Kumpel. »Sieh dir die Knochen mal genauer an.« Er fischte mit der Linken nach einem zerbrochenen Oberschenkelknochen, und es klapperte leicht in der Nische. Mit der Taschenlampe beleuchtete er die

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