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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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übrigen Freunde erwischt hatten? Andreas wurde flau zumute. Zugleich fühlte er sich schuldig, dass er nicht wenigstens Niklas vor diesem Schicksal hatte bewahren können. Er wartete, bis sich sein Herzschlag beruhigt hatte, und sah verzweifelt zu einer der trübe leuchtenden Straßenlaternen auf. Wenn einer seiner Freunde entkommen war, wohin würde dieser sich wenden? Natürlich. Zum Baumhaus! Zumindest hatte er diesen Treffpunkt mit Robert vereinbart.
    Andreas setzte sich wieder in Bewegung, hastete vorsichtig und jederzeit mit dem plötzlichen Erscheinen seiner Verfolger rechnend durch den Ort, bis die verschneiten Häuser Perchtals hinter ihm lagen und der Waldrand zu erkennen war. Geduckt lief er über eine verschneite Bergwiese, folgte einem Waldpfad und kämpfte sich dann durch das verschneite Baumdickicht hindurch, bis er den Rand jener Lichtung erreicht hatte, wo sich ihr Baumhaus befand. Grauweiß zeichnete sich der hölzerne Bau vor den Wipfeln ab. Aufgewühlt blieb er neben einer Tanne stehen und lauschte. Doch außer gelegentlichen Geräuschen im Wald konnte er nichts hören. Er schaltete seine Taschenlampe ein und blinkte drei Mal zum Baumhaus hinauf.
    Niemand reagierte. Enttäuscht schaltete er die Lampe wieder aus. Seine schlimmsten Befürchtungen hatten sich bewahrheitet. Die Lichtung war verwaist. So, wie es aussah, war er tatsächlich der Einzige, der entkommen war. Er war jetzt vollkommen auf sich allein gestellt. Niedergeschlagen setzte sich Andreas auf eine Baumwurzel und massierte seine Schläfen. Wenn Robert Recht hatte, dann ging es den Erwachsenen darum, sie zu opfern. So verrückt das auch klang. Selbst diese Glockeninschrift nannte diesen Wahnsinn beim Namen. Ihn schauderte. Ob darüber mehr in diesen Büchern gestanden hatte, die ihm Niklas kurz vor seiner Flucht ausgehändigt hatte? Jetzt bereute er es, sie einfach weggeworfen zu haben. Was jetzt? Er war der Einzige, der seinen Freunden noch helfen konnte. Doch was konnte er allein schon ausrichten?
    Andreas wusste nicht, wie lange er bereits so in der Dunkelheit dasaß, als sein Kopf hoch ruckte. War er wirklich allein? Was hatte es mit diesem Licht auf dem Friedhof auf sich gehabt, ohne das es ihm nicht gelungen wäre, Schober zu entkommen? Die einzige Erklärung, die ihm dafür einfiel, verursachte ihm einen Schauer. Andreas stand mit knackenden Gliedern auf. Irgendetwas musste er tun. Handelte er nicht, dann würde das Grauen hier im Tal vermutlich ungehindert zuschlagen. Zumindest, falls ihre Annahme stimmte, dass es dieses … Etwas … tatsächlich auf die Jugendlichen in ganz Perchtal abgesehen hatte. So oder so, auch er und seine Freunde würden in diesem Fall sterben. Wie er es auch drehte und wendete, heute war der Tag der Entscheidung.
    Andreas ballte eine Faust und schlug damit gegen einen Baumstamm. Zunächst einmal musste er diesen Wahnsinnigen zuvorkommen. Allmählich reifte in ihm ein Plan. Er brauchte eine Waffe. Und er wusste auch, wo er diese finden würde. Er eilte zurück nach Perchtal. Beständig behielt er die Umgebung im Auge, da er nicht wusste, ob man seinen Spuren nicht vielleicht doch gefolgt war. Zumindest trug der viele Neuschnee, der beständig vom Himmel rieselte, das Seine dazu bei, die Abdrücke am Boden zu verwischen. Diese Schweine brauchten schon einen Hund, um ihm auf der Fährte zu bleiben. Trotzdem blieb Andreas vorsichtig, als er geduckt in Richtung Sägewerk eilte. Ob Schober, Bierbichler und Eichelhuber tatsächlich davon ausgingen, dass er noch einmal so töricht war, nach Hause zurückzukehren? Vielleicht. In jedem Fall war es besser, damit zu rechnen, dass dort einer seiner Häscher auf ihn lauerte. Andreas näherte sich seiner elterlichen Wohnung daher von der Rückseite, dort, wo der verwilderte Garten an das Haus grenzte. Er zwängte sich vorsichtig durch eine Lücke in der Hecke und hatte so einen nahezu ungehinderten Blick auf die Fenster des Wohnzimmers. Dort war es dunkel. Ebenso, wie überall sonst im Haus. Andreas traute dem Frieden dennoch nicht. Er schlich einmal um das Haus herum, bis er das Gelände des Sägewerks einsehen konnte. Inzwischen war es kurz nach sieben Uhr am Abend. Längst waren die Arbeiter nach Hause gegangen. Dementsprechend still war es jetzt im Sägewerk. Andreas behielt die vielen Schatten zwischen Stellplatz, Lagerhallen und Rundholzsortieranlage argwöhnisch im Blick. Doch nirgends war eine Bewegung auszumachen. Endlich stahl er sich in den Schatten eines

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