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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Leuchtkugel ab. Das Geschoss raste grellrot auf die klauenartigen Auswüchse zu und schlug in einem der Greifarme ein. Mit einem pfeifendem Geräusch zerplatzte das Gebilde zu einer Wolke aus Eis und Schnee.
    »Seht ihr, Feuer hilft!« schrie Robert mit sich überschlagender Stimme. Sogleich entzündete er auch seine Magnesiumfackel. »Lasst uns einen Ring bilden!« Andreas entzündete die Magnesiumfackel Elkes und baute sich ebenfalls kampfbereit neben ihm auf.
    »Und wie lange glaubst du, diese Dinger aufhalten zu können«, fragte Elke. »Ist mir egal«, brüllte Robert verzweifelt. »Ich nehme so viele von ihnen mit, wie ich kann.« Kratzend und brausend näherten sich die Greifarme dem erhöht liegenden Steinsockel.
    »Nein, es gibt nur eine Möglichkeit, dieses Ding aufzuhalten.« Tränen liefen Elke über die Wangen und sie ließ die Pistole mit einem seltsam gefassten Gesichtsausdruck fallen. Unvermittelt kniete sie neben Miriam nieder und streichelte ihre Wange. Verwirrt sah diese zu ihr auf. Dann erhob sie sich und blickte Andreas in die Augen. »Ich liebe dich, Andy.« Sie küsste ihn mit spröden Lippen. »Versprich mir, dass ihr die anderen rettet.«
    »Teufel, Elke, was hast du vor?« Erschrocken sah Andreas sie an und griff nach ihr. Doch bevor er sie zu fassen bekam, sprang Elke bereits auf den Höhlenboden und packte den Bischofsstab. Sogleich wichen die Greifarme vor ihr zurück und Andreas spürte wieder diese eigentümliche Verbundenheit mit seinen Freunden. Abermals stürmten all die wundersamen Bilder auf ihn ein und in einem stillen Winkel seines Geistes dröhnte erneut die Reibeisenstimme mit all ihren Lockungen und Drohungen. In diesem Augenblick begriff Andreas, dass sich Elke opfern wollte. »Elke, nein!« Panisch sprang er ebenfalls vom Felsen, rutschte aus und stürzte auf den kalten Höhlenboden. »Elke!«
    Seine Freundin passierte soeben die gewaltige Perchtastatue und näherte sich mit geschlossenen Augen der Felswand, den Stab aus Holunderholz trotzig erhoben. »Heiliger Nikolaus, der du entstammst dem Herzen Gottes, Schutzpatron der Kinder, bitte für uns! Nimm mein Opfer an für die Ewigkeit …«, rezitierte sie immer wieder die Übersetzung des lateinischen Opferspruches, den sie in den Katakomben gefunden hatten. Andreas stolperte voran und stürzte abermals hin, als jäh eine Antwort aufbrauste. OPFERE DICH RUHIG, NÄRRIN! dröhnte es in seinem Schädel. IN VIER MAL VIER JAHREN WIRD MEINE SAAT ERNEUTAUFGEHEN … Die greifarmartigen Gebilde in der Höhle zerplatzten zu Eisstaub und fielen in sich zusammen. Ein wütendes Heulen fegte durch die Höhle, das sich zu höhnischem Gelächter steigerte. Von einem Moment zum anderen schloss sich der Spalt in der Felswand, bis von ihm nur noch eine haarfeine Linie zurückblieb, die bläulich glühte. Elke kippte zur Seite und blieb reglos auf dem Höhlenboden liegen. Mit ihrem Sturz versank der eisige Dom in Finsternis.
    »Elke! Nein!« Die Magnesiumfackel noch immer in der Hand haltend, hetzte Andreas auf ihren Körper zu und warf sich neben ihn auf den kalten Untergrund. Verzweifelt bettete er ihren Kopf in seine Hände. Doch Elke rührte sich nicht mehr. Ihr Blick war gebrochen. Sie war tot. Andreas krümmte sich und legte all seinen Schmerz in einen Schrei, der laut von den Höhlenwänden widerhallte.

Homo homini lupus
    (Der Mensch ist des Menschen Wolf!)

Andreas schloss wütend seine Arzttasche und verließ das Gästezimmer, in dem sie das kleine Mädchen aus dem VW-Bus zur Ruhe gebettet hatten. Im Flur warteten bereits Niklas und Robert auf ihn. Letzterer sah verunsichert zu ihm rüber und nahm einen Schluck aus seinem Flachmann, während Niklas die Arme über dem ausladenden Bauch verschränkt hielt. »Und?«
    »Es geht ihr gut.« Andreas fixierte die beiden böse. »Jedenfalls den Umständen entsprechend. Wer ist sie?«
    »Ein Mädchen aus dem Ort«, antwortete Niklas unwirsch. »Ich für meinen Teil will gar nicht wissen, wie sie heißt. Wir werden es in den nächsten Tagen eh aus der Zeitung erfahren.«
    »Verdammt!«, fauchte Andreas. »Wie kann man nur so kaltschnäuzig sein.«
    Niklas erwiderte seinen Blick kühl. »Ganz einfach, weil ich mir im Gegensatz du dir bewusst bin, dass wir eine Aufgabe zu erfüllen haben. Oder willst du, dass Elke damals grundlos gestorben ist? Willst du es ernsthaft riskieren, dass dieses Ding doch noch freikommt und sich einmal quer durch unser Tal frisst?« Andreas presste verzweifelt die

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