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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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stehen«, meinte Robert mit vollen Backen und stellte den leeren Teller zurück auf Niklas’ Schreibtisch. »Kriegen wir die Matheaufgaben auch, oder sind die wieder nur für die Mädchen?«
    Niklas wurde rot. »Nee, könnt ihr natürlich haben. Aber ich dachte, ihr wisst, wie die gehen? Ich hab’s euch doch letzte Woche erklärt. Würde ich bei Elke und Miriam auch tun, aber ihr wisst ja, dass ihre Eltern das nicht so gern sehen.« Das war zwar nur die halbe Wahrheit, aber das mussten die beiden schließlich nicht wissen.
    »Och, ich hab nichts gegen Abschreiben.« Andy grinste frech, doch Robert legte den Block wieder zurück. »Nee, Niklas hat schon recht. Wenn wir immer nur abschreiben, dann bleiben wir tatsächlich irgendwann sitzen.«
    »Mann, was seid ihr denn für Spaßbremsen.« Andy gab Niklas einen Wink, dass er sich mit dem Anziehen beeilen solle, und griff beiläufig nach einem aufgeschlagenen Buch, das vor dem Bett lag. Er nahm es an sich und runzelte die Stirn. »Haben wir in Geschichte noch mehr Hausaufgaben auf, oder liest du das zu deinem Vergnügen?« Erstaunt warf Niklas einen Blick auf den Einband, der mit ›Römische Geschichte‹ betitelt war. »Nee, keine Ahnung, wie das Buch dahin kommt.«
    Andy schmunzelte, während er die Seiten überflog. »Klingt eigentlich ganz spannend. Wusstet ihr, dass Cäsar von den Politikern Brutus und Cassius verraten wurde?«
    »Ja, natürlich«, entfuhr es Niklas, der den Band nun selbst in die Hand nahm und die Seiten erstaunt betrachtete. »Die beiden haben die Verschwörung gegen Cäsar angezettelt, bei der er ermordet wurde. Ist ihnen aber nicht gut bekommen. Cäsars Adoptivsohn Octavian hat die Verräter später allesamt zur Strecke gebracht.«
    »Too much details«, meinte Andy nur und schnappte sich seine Hockeyschläger. »Lasst uns lieber los.« Auch Robert nickte. Rasch stellte Niklas das Buch zurück ins Regal, glättete die Bettdecke und marschierte gemeinsam mit Andy und Robert rüber in den Hausflur, wo er sich in seinen dicken Wintermantel zwängte. Seine Mutter kam in diesem Moment mit den Schlittschuhen die Kellertreppe hoch und drücke sie Niklas in die Hand.
    »Wartet, ich habe noch etwas für euch vorbereitet.« Zügig eilte sie in die Küche und kam mit einer prall gefüllten Bäckertüte zurück, aus der es herrlich nach belegten Brötchen duftete. »Ihr passt aber ein bisschen auf Niklas auf, ja? Nicht, dass er sich da draußen auf dem Eis verletzt?«
    »Klar, machen wir«, antwortete Andy grinsend, was Niklas’ Mutter aber nicht bemerkte, da sie bereits damit beschäftigt war, ihrem Sohn die selbstgestrickte Bommelmütze aufzusetzen. Das Ganze war so peinlich, dass Niklas vor Scham am liebsten im Boden versunken wäre.
    »Geht schon, Mama.«
    »Ich will doch nicht, dass du dich verkühlst, mein Schatz.« Heimlich steckte sie ihm noch ein paar Schokoriegel zu. »Wo sind denn deine Handschuhe?«
    »Ich glaube noch drüben im Zimmer.« Niklas rollte für jeden sichtbar mit den Augen und löste sich von seiner Mutter, während seine Freunde bereits nach draußen eilten.
    Im Zimmer roch es noch immer nach Himbeeren, nur dass der Geruch jetzt einen unangenehmen Stich besaß. Wie Fäulnis. Seltsam.
    Wo hatte er die blöden Handschuhe bloß hingelegt? Niklas entdeckte sie auf der Heizung unter dem Fenster. Er ergriff sie und wollte schon wieder zurück, als er sah, dass sich unter seiner Bettdecke, auf Höhe des Kopfkissens, ein kantiger Gegenstand abzeichnete. Ein weiteres Buch? Hatte Andy es dort zurückgelassen? Langsam wurde die Sache unheimlich. Niklas zögerte, dann schlug er die Bettdecke zurück und entdeckte auf dem Kopfkissen die aufgeklappte Hausbibel. Wie kam die denn hierher? Die stand doch normalerweise drüben im Wohnzimmer. Niklas hob das Buch misstrauisch an und sah, dass die Seiten mit dem Lukasevangelium aufgeschlagen waren. Sie waren am Rand mit Schokolade beschmiert, fast so, als solle damit eine bestimmte Textstelle kennzeichnet werden: Der Satan aber ergriff Besitz von Judas, genannt Iskariot, der zu den Zwölf gehörte. Judas ging zu den Hohepriestern und den Hauptleuten und beriet mit ihnen, wie er Jesus an sie ausliefern könnte … .
    Niklas runzelte pikiert die Stirn und wollte den Band gerade zuklappen, als ihm das mit Blumen bestickte Kissen auffiel, auf dem die Bibel gelegen hatte. Sofort bekam er Atemnot. Die Bibel fiel ihm aus der Hand, und er wankte entsetzt zurück. Keuchend und mit weit aufgerissenen Augen

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