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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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nestelte er an dem Kragen seiner Jacke, ohne die Augen von dem gespenstischen Objekt abwenden zu können. Das war nicht sein Kissen.
    Das war das Kissen seiner Mutter.
    Dieses Kissen durfte es überhaupt nicht mehr geben. Er hatte es doch damals eigenhändig im Wald vergraben. Niklas schluchzte, aber es gab keinen Zweifel. Das war das Kissen, mit dem seine Mutter versucht hatte ihn zu ersticken.

Krampuskost üme
    Schneematsch spritzte empor, als ein grüner Lieferwagen an den drei Freunden vorbeifuhr. Andreas schaffte es gerade noch beiseite zu springen, doch Robert hatte Grund zu fluchen. »Oh Mann, voll auf meine Dog Martens.« Wütend starrte er dem Auto hinterher, das sich im vielen Schnee mühsam einen Weg durch die kleine Ortschaft bahnte, um schließlich hinter »Miederwaren Raab« zu verschwinden.
    »Wieso, die sind doch eh schon schmutzig«, schnaufte Niklas, der Mühe hatte, mit ihnen Schritt zu halten.
    Andreas fand, dass sein Freund schon die ganze Zeit über bedrückt wirkte. »Kannst du deine blöden Schuhe mal einen Moment vergessen?«, brummte er genervt. »Wir sind gleich da.« Er hatte die beiden Hockeyschläger geschultert und deutete nun die Straße hinunter, an deren Ende das Vereinsheim zu sehen war. Wie erwartet, war die Straße jetzt um die Mittagszeit wie leergefegt. An Fußgängern waren außer ihnen nur eine Frau zu sehen, die in einer Nebengasse Streusalz verteilte, und der alte Hoeflinger, der auf dem Bürgersteig schräg gegenüber eine Mülltonne durchsuchte. Hoeflinger musste inzwischen so um die siebzig sein. Tag für Tag streunte er durch die Straßen, auf der Suche nach Dingen, die er anschließend in seine Wohnung schleppte. Obwohl er ohne Zweifel leicht verrückt war, ließ man ihn gewähren.
    Andreas interessierte auch mehr das Vereinsheim. Im Gegensatz zu den anderen Häusern der Ortschaft, deren Schornsteine qualmten und hinter deren Fenstern gelegentlich Bewegung auszumachen war, lag es etwas abseits und wirkte selbst auf die Entfernung hin verlassen. Das in alter bayerischer Bauweise errichtete Haus war an einem Hang erbaut worden, hinter dem sich grau und weiß die winterliche Kulisse des Nationalparks Berchtesgaden mit seinen verschneiten Wäldern und Höhenzügen abzeichnete. Bei guter Sicht konnte man von hier aus bis zur Bergspitze des Hochkalter in über 2600 Metern Höhe hinaufblicken. Heute war das natürlich nicht möglich, dafür schneite es zu stark. Das war nicht ganz ungefährlich. Andreas erinnerte sich noch an die Lawine, die dort oben im Gebirge vor zwei Jahren abgegangen war. Die weißen Massen hatten damals sogar Perchtal fast erreicht und mehrere arglose Wanderer unter sich begraben. Aber sie waren ja nicht da oben. Er richtete sein Augenmerk wieder auf das Vereinsheim. Im unteren Teil war das Gebäude weiß gestrichen, während der obere Teil bis hinauf zum Dachgiebel aus schwarz lackiertem Holz bestand. Im Sommer blühten oben in Blumenkästen rote und weiße Geranien, doch jetzt war der komplette Dachstuhl dick mit Schnee bedeckt. Wie jeden Sonntag würden die ersten Mitglieder der Schützen- und Trachtengruppen erst in ein oder zwei Stunden aufkreuzen. Eine Zeitspanne, die es zu nutzen galt.
    »Okay, und jetzt leise«, kommandierte er. »Wir schleichen uns zum Hintereingang. Seht zu, dass euch möglichst keiner sieht, immerhin wohnt Köhler ganz in der Nähe. Der wird bestimmt Fragen stellen, wenn er uns entdeckt.« Er wollte schon loseilen, doch Niklas hielt ihn aufgeregt fest. Seine fleischigen Wangen leuchteten rot, und die runde Brille, die seine Schweinsaugen irgendwie größer machte, als sie waren, war leicht mit Schnee bestäubt. »Sag mal, Andy, hast du eigentlich einen Plan B, nur für den Fall, dass wir entdeckt werden? Ich meine, wenn wir entdeckt werden, sieht das doch wie Einbruch aus, oder?«
    »Damit das nicht passiert, haben wir ja dich dabei«, erklärte Robert betont lässig und schob sich den schwarzen Haarschopf hinter das linke Ohr. »Und nur damit das klar ist: Wir ziehen die Sache in jedem Fall durch. Dieser Spacko hat uns nämlich den Krieg erklärt.«
    »Köhler?« Verständnislos sah Niklas zu seinen Freunden auf.
    »Nein, Konrad!«, schimpfte Andreas.
    »Das Arschloch war heute Vormittag bei Andy auf dem Sägewerk und ist bei ihm ins Haus eingebrochen«, erklärte Robert.
    »Und er hat mir eine Botschaft hinterlassen, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt«, erklärte Andreas wütend. ›»Du bist

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