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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Bürgermeisters erleuchtet, direkt über dem Eingang mit dem alten, von Berlaff und Pfannhaken überkreuzten Wappen Perchtals. Bei den stilisierten Abbildungen des Schöpflöffels und des Hakens handelte es sich um die traditionellen Werkzeuge der Pfänner, der Salzsieder, die hier in der Berchtesgadener Region auf eine uralte Tradition zurückblickten. Auch Perchtal hatte offenbar einst vom Salzabbau profitiert, wenngleich das lange zurückliegen musste. Doch Andreas hatte im Moment andere Sorgen. Viel wichtiger war, dass es auf dem Marktplatz ruhig war. Irgendwo in der Ferne schlug ein Hund an.
    »Und, könnt ihr was sehen? Die Leichenhalle liegt blöderweise hinter der Kirche.«
    »Woher weißt du das?«, fragte Niklas.
    »Wegen meiner Mutter«, erklärte Andreas kurz angebunden. Robert neben ihm reckte nun ebenfalls den Hals und bedeutete ihnen, sich zu ducken. Auch Andreas sah, dass in diesem Moment vier Männer hinter der Kirche hervortraten. Das Licht einer Taschenlampe blitzte im Schneetreiben auf. Pfarrer Strobels hochgewachsene Gestalt erkannte er sofort, bei den anderen Männern tippte er auf Doktor Bayer, den Bürgermeister und Herrn Krapf, den Leiter der freiwilligen Feuerwehr. Die Männer unterhielten sich eine Weile, doch es waren nur leise Stimmfetzen zu vernehmen: »Morgen weiter … . nicht in diesem Zustand … . benachrichtigen …« Dann verließen sie das Gelände in Richtung Ortsrand. Zum Erstaunen der drei schloss sich auch Pfarrer Strobel den Männern an, statt zu seinem Pfarrhaus zu gehen. Allein Bürgermeister Schober verließ die Gruppe und stapfte in Richtung Bürgermeisteramt. Andreas war es nur recht.
    »Okay, es kann losgehen«, forderte er seine Freunde zum Mitkommen auf, kaum dass die Männer außer Sichtweite waren. »Aber macht die Taschenlampen erst an, wenn wir hinter der Kirche sind. Alles klar?« Er versuchte so selbstsicher wie möglich zu klingen, doch in Wahrheit war er alles andere als das. Die Kälte kroch durch seine Kleidung, und wenn er zu den dunklen Grabsteinen hinüberblickte, musste er unwillkürlich an die vielen Toten denken, deren verrottete Leiber dort in der Erde lagen. Mist, auf was hatte er sich da bloß eingelassen? Aber gerade vor Robert, der schon den ganzen Abend die Coolness in Person war, wollte er sich keine Blöße geben. Ohne eine Antwort abzuwarten, huschte er geduckt voran und erreichte so als Erster das Kirchengelände.
    Trotz der Dunkelheit war gut zu erkennen, dass die Männer an der Kirche vorbei einmal quer über den Friedhof gelaufen waren. Da es bereits mehrere Tage geschneit hatte, waren die Wege nahezu unkenntlich und die vielen Gräber fast eingeebnet. Doch noch immer roch es schwach nach Moder und Astern. Andreas deutete zu einem älteren Teil des Friedhofs hinüber, wo die Grabsteine verwittert waren und schief aus dem Boden ragten. Ganz in der Nähe einer unter dem Schnee begrabenen Engelsstatue zeichnete sich die alte Leichenhalle ab. Das auffallend kleine Gebäude mit den grob verputzten Wänden war im Kapellenstil errichtet worden. Auf dem weißen Schindeldach befand sich ein Dachreiter mit einer kleinen Glocke; die Doppelflügeltür wurde von zwei kantigen Fenstern eingerahmt, die zugemauert waren. Einst hatte man seine Mutter dort aufgebahrt. Sie lag heute auf einem sorgsam abgegrenzten Areal ganz am Rande des Friedhofs. Bei den wenigen ungetauften Kindern und Selbstmördern Perchtals.
    Fast geräuschlos hasteten die drei zwischen den Gräberreihen hindurch, bis sie endlich vor dem Häuschen standen. Niklas sah inzwischen selbst so blass aus wie eine Leiche.
    »Wir gehen allein rein«, flüsterte Andreas beruhigend. »Du versteckst dich am besten da hinten bei der Engelsstatue. Sollte jemand kommen, dann wirfst du einen Stein gegen die Tür, okay?« Sein dicker Freund nickte und machte, dass er fort kam.
    »Super Plan«, murrte Robert mit Blick auf die zugemauerten Fenster.
    »Ja, das hab ich inzwischen auch bemerkt«, presste Andreas hervor. »Aber hätte ich Niklas jetzt wieder wegschicken sollen, wo er schon mal da ist? Strobel ist ja nicht einmal im Pfarrhaus. Was soll schon passieren?« Er sah sich noch einmal zur Kirche um, zog einen Draht aus der Jackentasche, bog ihn zu einem Dietrich zurecht und nahm das alte Schloss in Angriff, so wie er es aus einschlägigen Filmen kannte. Leider sah die Realität anders aus. Fast drei Minuten stocherte Andreas in dem Schloss herum, dann gab er entnervt auf. »Funktioniert nicht«,

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