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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Der alte Strobel hat gleich nach Kriegsende hier in Perchtal als Seelsorger begonnen und ist bis 1978 geblieben. Der war bereits Mitte 70, als er zusammen mit euren Geschwistern verschwand.«
    »Moment mal, die fünf sind nicht allein verschwunden?«, fragte Elke erstaunt.
    »Fünf?« Der alte Hoeflinger lachte freudlos. »Mädchen, wir sprechen hier von weit mehr Vermissten!« Er warf den Bademodenkatalog auf den Wohnzimmertisch. »Seht nach, da steht alles drin.« Andreas und Elke sahen den Kaufhauskatalog verunsichert an. »Ich bin kein Spinner!«, krächzte der Alte. »Lasst euch von dem Umschlag nicht in die Irre führen.« Er beugte sich auf den Stock gestützt vor und flüsterte: »Tarnen, tricksen, täuschen. Das alles dient dazu, damit mir keiner auf die Schliche kommt. Versteht ihr? Die sollen ruhig glauben, dass ich nicht mehr ganz dicht bin.« Er packte den Stock fester. »Ich weiß nämlich schon lange, dass die mich beobachten. Die würden am liebsten alles vertuschen. Wenn die wüssten, wie dicht ich ihnen auf der Spur bin, dann würden die mich ratzfatz ebenfalls verschwinden lassen. Die schicken doch regelmäßig meine Tochter aus, um mich auszuspionieren und um meine Beweise zu vernichten. Ha, als ob ich das nicht merken würde.«
    »Ihre Tochter?«, fragte Elke verunsichert.
    »Ja, meine Tochter. Manchmal wache ich morgens auf, und dann sitzt sie auf der Bettkante und beobachtet mich, mit so einem lauernden Blick, wie eine Katze kurz bevor sie ihre Krallen ausfährt. Wisst ihr, wie es ist, wenn man im Schlaf beobachtet wird? Ich sag’s euch – das ist ein verdammt dummes Gefühl.« Der Alte verengte die Augen zu Schlitzen. »Und manchmal, wenn ich von einer meiner Touren zurückkomme, dann kann ich hier oben ihr Parfüm riechen. Dann weiß ich, dass sie wieder da war und meine Zimmer durchwühlt hat. Ich wette, selbst jetzt lauert sie unten an der Treppe und lauscht. Und ich kenne den Grund!« Er beugte sich vor. »Die wollen wissen, wie viel ich weiß!« Er tippte sich gegen die altersfleckige Stirn. »Aber das meiste ist eh hier oben verborgen. Zu gefährlich, alles aufzuschreiben. Eine riesige Verschwörung.«
    Andreas fischte befremdet nach dem Katalog und schlug ihn auf. Tatsächlich, die eigentlichen Katalogseiten waren herausgetrennt und durch jede Menge Seiten mit ausgeschnittenen und auf Schreibmaschinenseiten geklebten Zeitungsartikeln ersetzt worden. Zwischen den Seiten klemmten Unmengen an Papieren mit unleserlichen Notizen. Hastig blätterte er vor und suchte nach Aufzeichnungen über ihre vermissten Geschwister. Doch alles, was er fand, waren drei dürftige Zeitungsartikel mit einer knappen Vermisstenmeldung von Ende 1978 und Anfang 1979.
    »Ist das alles?«
    »Ja, seltsam, nicht?« Der alte Hoeflinger verzog verschwörerisch das Gesicht. »Ich sag dir, da haben die dran gedreht. Sind angeblich bei einer Nachtwanderung verschwunden.«
    »Eine Nachtwanderung?«, merkte Elke pikiert an.
    »Ja, zusammen mit dem damaligen Pfarrer Strobel.« Hoeflinger kicherte hämisch. »Scheint für den Alten damals wohl nicht ganz so gut gelaufen zu sein, dieser Bastard! Und das sage ich, gerade weil er nie gefunden wurde.«
    »Und unser jetziger Pfarrer? Haben Sie sich den schon mal zur Brust genommen?«, wollte Andreas wissen. Die Sache wurde immer verworrener.
    »Ach der.« Hoeflinger winkte verächtlich ab. »Der hat die Pfarramtsstelle hier in Perchtal gleich nach dem Verschwinden seines Bruders angetreten. Aber ich sag euch, der Kerl war bei meinen Nachforschungen damals keine große Hilfe. Der hat dauernd versucht, seinen Bruder zu decken. Ich bin nämlich längst davon überzeugt, dass der alte Strobl irgendwie auch in die Sache von 1962 verwickelt war.«
    »Die Sache von 1962?«
    »Bub, hörst du mir überhaupt zu? Der Fall Dorle Brunner. vierzehn Jahre. Im Dezember 1962 als vermisst gemeldet. Kam nach dem Kirchenchor nicht mehr nach Hause. Kirchenchor! Merkt ihr was? In keinem anderen Ort aus der ganzen Region sind über die Jahre so viele Jugendliche verschwunden wie hier bei uns in Perchtal.« Andreas blätterte aufgeregt zurück und fand zwischen den Notizen vergilbte Zeitungsschnipsel und Vermisstenmeldungen, die der alte Hoeflinger aus seiner Dienststelle entwendet haben musste. Er konnte es kaum glauben, aber die Unterlagen reichten bis in die Zeit der Monarchie zurück.
    »Alle sechzehn Jahre verschwindet hier ein Kind!«, wisperte der Alte. »So präzise und regelmäßig wie ein

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