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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Auswüchsen beides in all den Jahrhunderten geführt hatte. Gerade hier, in ihrer Heimat.
    Verdammt, es war schon fast halb zwölf. Die anderen waren sicher schon in diesem Bootshaus und hatten längst angefangen. Ob die Sache mit dem Gläserrücken tatsächlich funktionierte? Niklas wagte es nicht, darüber zu spekulieren. Aber vielleicht fanden seine Freunde in der Hütte alte Hinterlassenschaften ihrer Geschwister? Jeder hatte bereits etwas von seinen älteren Brüdern und Schwestern gefunden, nur er nicht. Das war ungerecht. Niklas beschloss, dass es Zeit war zu handeln.
    Mühsam erhob er sich und achtete darauf, dass sein Bett nicht knarrte. Dann schlich er zur Tür, drückte sein Ohr gegen das Holz und lauschte. Er konnte nichts hören. Mit etwas Glück hatte die Aufmerksamkeit seines Vaters inzwischen nachgelassen. Als Bäcker war es schließlich nicht gewohnt, so lange aufzubleiben. Darauf vertrauend drückte Niklas die Klinke vorsichtig nach unten. Natürlich war die Tür noch immer abgeschlossen. Hauptsache, sein Vater bekam nicht mit, was er trieb. Wenn er noch loswollte, dann jetzt.
    Niklas setzte seinen Plan in die Tat um und tastete sich im Zwielicht rüber zum Zimmerfenster. Er zog die Vorhänge beiseite und lugte durch die Scheiben nach draußen. Im Licht der Bäckerei waren Hunderte Schneeflocken zu sehen, die vom Himmel auf die Gasse herabwirbelten. Niklas kraxelte mühevoll auf den Schreibtisch, legte die Schlaufe eines Schuhbands um den Innenriegel und sperrte das Fenster geräuschlos auf. Schon schlug ihm ein kalter Wind entgegen, der die Vorhänge bauschte und Schnee ins Zimmer wehte. Er kletterte rasch auf die Fensterbank, sprang ächzend auf den zugeschneiten Bürgersteig und zog das Fenster mit dem Schuhband von außen wieder zu. Hoffentlich hielt das Ganze eine Weile. Seinem Vater würde es garantiert auffallen, wenn plötzlich der Wind durch das Haus pfiff.
    Niklas zog sich die Mütze tiefer über die Ohren und stapfte in die Nacht. Was für ein Mistwetter. Hohe Schneewehen trieben auf gespenstische Weise über die Straße, immerzu schlugen ihm Schneeflocken ins Gesicht, und die Kälte hatte fast arktische Ausmaße angenommen. Das Licht der Straßenlampen erstickte förmlich unter der weißen Pracht. Immerzu heulten kaltnasse Böen durch die Gassen und fingen sich in seiner Winterjacke. Ob es wirklich so klug war, bei diesem Sauwetter noch unterwegs zu sein? Niklas fror bereits wie ein Schneider und dachte wehmütig an sein dickes Federbett. Nein, er wollte dabei sein, wenn die anderen eine Entdeckung machten. Unbedingt.
    Inzwischen hatte er den Marktplatz mit der Kirche erreicht. Auch hier waren die Straßen wie leergefegt. Im Schneegestöber konnte man gelegentlich einen Hofhund bellen hören, der den Unbillen des Wetters ebenso ausgesetzt war wie er selbst. Er überprüfte noch einmal den Reißverschluss seiner Jacke und hielt erschrocken inne, als er vor dem Friedhofszaun, auf der Straße neben der Kirche, nun doch eine Bewegung ausmachte. Nach allem, was er sehen konnte, handelte es sich um Pfarrer Strobel. Er konnte den Geistlichen nur deswegen erkennen, da er in ein Fahrzeug gebeugt war, dessen Innenraumbeleuchtung brannte. Er kramte nach irgendetwas auf dem Rücksitz, während die Beifahrertür immer wieder vom Wind zugedrückt wurde. Was tat er da? Egal. Hauptsache, der Kerl war beschäftigt. Niklas rannte am Friedhof vorbei, durchpflügte weitere Schneewehen und kämpfte sich die Gasse zum zugefrorenen Perchtensee hinunter. Nach Andys Aussage stand der Bootsschuppen etwas weiter im Süden, unmittelbar hinter einer Baumgruppe. Nur welcher? Im dichten Schneegestöber konnte man kaum etwas erkennen.
    Mist, wenn er sich nicht beeilte, war bald Mitternacht. Er marschierte eine Weile am Ortsrand entlang und suchte den Baumbestand am Seeufer ab, als er unvermittelt den blinkenden Schein einer Taschenlampe entdeckte. Da hinten, dort mussten seine Freunde sein!
    Hoffnungsvoll rannte Niklas los, als er sah, dass der Lichtkegel ein Mädchen erfasste, dass durch den Schnee lief. War das Elke? Niklas wollte bereits mit lauten Rufen auf sich aufmerksam machen, als er sah, dass sie nicht allein war. Hinter ihr, zwischen den Bäumen, tauchte ein Schatten auf. Er war es, der die Taschenlampe in Händen hielt. Die Größe, die Bewegungen … das war Andy. Was machten die beiden da vorn? Niklas sah, wie Andy Elke erst am Arm fasste und dann zu sich heranzog. Wie erstarrt blieb Niklas stehen. Oh

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