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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Eisstaub, und das Heulen des Windes vor der Hütte veränderte sich zu einem kläglichen Jaulen. Ebenso plötzlich, wie der Orkan aufgekommen war, ebbte er wieder ab. Vor der Hütte wurde es mucksmäuschenstill. Einzig das Prasseln und Fauchen der Flammen, die unerbittlich an der Regalwand emporkletterten sowie das laute Keuchen seiner Freunde waren noch zu hören.
    »Ist es vorbei?«, ertönte hinter Andreas die weinerliche Stimme Miriams. Sie hatte sich längst die andere Hälfte des Ruders geschnappt und damit ebenfalls auf die gespenstischen Eindringlinge aus Schnee eingeschlagen. Andreas hielt den Atem an und lauschte. Doch vor der Hütte war nichts mehr zu hören. Abgesehen vom Knistern des Feuers war es im Innern des Schuppens nun so still wie in einem Grab.
    »Sieht so aus«, krächzte er. Über ihren Köpfen breiteten sich dunkle Rauchschwaden aus, und die Hitze, die von der Regalwand abstrahlte, wurde immer unerträglicher.
    »Los, versuchen wir es!«
    Geschwind räumten die vier den Bootsrumpf vor dem Eingang zur Seite und rissen die Türflügel auf. Vor ihnen erhob sich eine weiße Wand.
    »Scheiße! Die komplette Hütte ist eingeschneit.« Robert hustete. Andreas rammte seine Fackel zwischen die Bretter am Boden, schnappte sich das zweite Ruder und eilte zu einem der grauen Fenster. Kurzerhand zertrümmerte er die Scheiben, doch auch dort türme sich der Schnee. »Schnell, löscht das Feuer! Wir müssen hier raus, sonst ersticken wir hier oder verbrennen bei lebendigem Leibe!« Er und Miriam hetzten zurück zur Tür und rammten die Ruderblätter gleich Schaufeln in die Schneewand.
    Sie husteten und keuchten und zogen sich Pullover und Schals vor Mund und Nase. Elke und Robert nahmen den fortgeräumten Schnee auf und warfen ihn in das Feuer, das inzwischen bis hoch an die Decke schlug. Es zischte, wo die gefrorene Masse auftraf, und der entstehende Wasserdampf machte das Atmen noch schwerer. »Buddel das Loch schräg nach oben. Nicht geradeaus!«, rief Andreas Miriam unter lautem Husten zu. Elke kam ihnen mit dem Brecheisen zu Hilfe, und zu dritt gruben sie Stück für Stück einen Tunnel in die Schneewand, während Robert hinter ihnen verzweifelt gegen die Flammen kämpfte. Andreas glaubte den Kampf bereits verloren, als sein Ruder den Schnee durchstieß. »Weiter!« Er hustete krampfhaft. »Wir haben es gleich geschafft!« Weiter hinten stürzte eines der brennenden Regalbretter zu Boden, während die Freunde ihre letzten Kräfte sammelten und den Zugang nach außen erweiterten. Andreas rollte einen der Baumstümpfe vor den versperrten Zugang, forderte Elke und Miriam hektisch auf, beiseitezutreten, und schob sich mit ihrer Hilfe durch die enge Öffnung im Schnee nach draußen. Wie ein Ertrinkender füllte er seine gepeinigte Lunge mit der kalten, klaren Nachtluft. Um ihn herum war es nahezu windstill, und als er sich umblickte, sah er, dass die komplette Hütte wie unter einem großen Maulswurfshügel aus Schnee begraben lag, dessen Flanken sogar bis auf den See hinaus reichten. Hastig streckte er den Arm zurück in den Tunnel und zog Miriam ins Freie. Hustend rollte sie neben ihm über die gigantische Schneewehe nach unten. Als Nächstes folgte Elke. Sie hielt noch immer krampfhaft das Brecheisen umklammert und wirkte ebenfalls, als stünde sie kurz vor dem Ersticken. Als Letztes packte er Roberts Arm. Die Bewegungen seines Freundes waren nur noch schwach. Er stand ganz offensichtlich kurz davor, die Besinnung zu verlieren. Elke rappelte sich auf, und gemeinsam zerrten sie auch ihn durch die Öffnung ins Freie. Mehr humpelnd als gehend zogen sie sich bis zum Rand der Baumgruppe zurück, wo sie sich erschöpft fallen ließen. Robert übergab sich. Andreas und die Mädchen starrten derweil den gewaltigen Schneehügel an, unter dem sich zunehmend greller werdendes Flackerlicht abzeichnete. Aus dem Loch, das sie gegraben hatten, quoll jetzt dicker, schwarzer Rauch. Schweigend sahen sie dabei zu, wie der Schnee des Frosthügels unter der Hitze dahinschmolz. Irgendwann schlugen Flammen aus der Schneedecke und züngelten grellrot dem Nachthimmel entgegen. Es zischte immerfort, und heißer Wasserdampf verband sich mit dem beißenden Qualm zu einer dunklen Rauchsäule, deren Schwaden träge in Richtung See abgetrieben wurden.
    Andreas blickte erstmals seine Freunde an, die verschreckt zusammengerückt waren und auf deren Gesichtern sich die Glut des Feuers spiegelte. Miriam hielt die Hände gefaltet. »Der

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