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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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Lot vor sich hatte: unmutig und verächtlich. Fawkes war im Verlauf eines akademischen Jahres und zweier Monate vom Status des angesehenen Poeten auf die Ebene einer ungebildeten Reinigungskraft gesunken, die so dämlich und nutzlos war, dass man Fragen nur lautstark und mit einer gewissen Strenge stellen konnte, wollte man zu ihr durchdringen.
    Furcht und Schuldgefühle bestürmten Fawkes  – ein Alptraum. Mein Gott, ich verdiene eine solche Behandlung. Ich habe keine Antwort! Erst bin ich für den Tod eines Schülers, dann für die Erkrankung eines weiteren … und jetzt für das Verschwinden eines dritten verantwortlich.
    »Wie bitte?«, sagte Fawkes, um Zeit zu gewinnen.
    »Hören Sie doch zu, um Gottes willen! Wo ist der Junge?« Wieder zauderte Fawkes. Colin Jute deutete das als Unverständnis. »Andrew Taylor!«, rief er. »Sicherlich wissen Sie, wer das ist, oder?«
    Fawkes war sich bewusst, dass er bei der eilends in Jutes Büro einberufenen Konferenz am wenigsten willkommen war. Er hielt sich im Hintergrund und lehnte neben den Fotos von Jutes tennisbegeisterten Kindern an der Wand. Er bemühte sich, sie nicht herunterzustoßen und noch mehr Schmähungen von Jute auf sich zu ziehen.
    Der Raum war voll. Man hatte zusätzliche Stühle hereingebracht.Zwei Repräsentanten der Health Protection Agency bekamen die Ehrenplätze – zwei antike Stühle mit Armlehnen an Jutes Schreibtisch. Miss Palek mit dem schwarzen Haar und den kaffeebraunen Augen saß aufrecht und unerschütterlich da. Dieses Mal war sie in Begleitung eines älteren, fülligen Herrn mit weißem Haarkranz. Anfangs verlieh seine Anwesenheit dieser Veranstaltung einen gewissen Ernst, bis Fawkes einen näheren Blick riskierte und sah, dass der Hemdkragen des Mannes zwei Nummern zu groß war und dass er auf seinem Stuhl herumzappelte wie ein Fünftklässler. Er war ein reiner Bürokrat. Als er sich als Ronnie Pickles vorstellte, musste Fawkes unwillkürlich grinsen.
    Auf dem Sofa hatte die Kommunikationsmanagerin Georgina Prisk Platz genommen, dreißig Jahre alt, blond (und umwerfend, wie Fawkes niedergeschlagen feststellte: strahlende Haut, volle Lippen, große blaue Augen); sie kaute aufgeregt an ihrem Stift – endlich ein Drama, das ihrer Talente wert war! Sir Alan war verhindert. Er habe es mit einer Familienangelegenheit zu tun, hatte Jute vage angedeutet, und Fawkes fragte sich erschrocken, ob Andrews Verschwinden und Sir Alans Abwesenheit irgendwie miteinander in Zusammenhang standen. Er hatte mehrmals versucht, Persephone auf ihrem Mobiltelefon zu erreichen, ohne Erfolg. Das kann nicht sein , beruhigte er sich , so viel Pech kann selbst ich nicht haben. Owen Grieve, Hausvater im Rendalls, fast zwei Meter groß und aufrecht, setzte sich neben Georgina. Zudem waren Mr. Montague, der ironische Senior Master, und Dr. Rogers, der Schularzt mit den behaarten Händen, anwesend. Jute kündigte an, dass Father Peter noch erwartet wurde. Das machte Fawkes Hoffnung, und er spitzte die Ohren, um nicht zu verpassen, wenn die Tür aufging.
    Jute übernahm die Leitung der Konferenz, setzte sich auf die Schreibtischkante  – eine imposante Pose, einer Führungspersönlichkeit angemessen.
    Er fasste die Situation zusammen. Ein Junge tot. Ein Junge krank. Zwei Schüler, die möglicherweise Träger des Erregers waren. Einer von ihnen hielt sich noch auf dem Schulgelände auf.
    »Die Eltern Ihres Haussprechers waren hier, um ihn abzuholen?« Jute feuerte die Frage regelrecht auf Fawkes ab.
    »Ja. Heute Morgen.«
    »Setzen Sie das auf die Negativliste, Georgina: Haussprecher verlässt den Ort des Geschehens.« Jute bedachte Fawkes mit einem giftigen Blick.
    Anrufe von Eltern gingen ein, fuhr er fort. Anfragen von Medien?, wollte er von Georgina wissen.
    Sie hatte ihre Notizen parat: der Harrow Observer – der Redakteur des Gesundheitsressorts, sagte sie. Times U.K. Nachrichten. Sie hassen uns ohnehin. Einer dieser Klatschreporter für Labor … Sky TV. Sie haben uns angedroht, ein Kamerateam herzuschicken.
    »Wir müssen reagieren. Und unsere Freunde von der H  … P  … A«, dröhnte Jute, als würde die Abkürzung allein schon Angst und Schrecken verbreiten, »sind hier, um uns zu helfen. Sie werden uns beraten und mitentscheiden, ob die Harrow-Schule – zum ersten Mal in ihrer Geschichte, aus gesundheitlichen Gründen geschlossen werden soll.«
    Owen Grieve murmelte etwas und bat Miss Prisk, das zu wiederholen  – hatte er richtig gehört?

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