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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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der herrischen englischen Arroganz, die er in sich hatte. »Es geht nicht um Geister, Matron. Und jetzt bitte, gestatten Sie uns, dass wir unsere Arbeit fortsetzen.«
    »Arbeit!«, schnaubte Matron und stapfte schimpfend die Treppe hinauf. Fawkes bedeutete Dick und Reg weiterzumachen.
    Trotz seiner scheinbaren Tollpatschigkeit war Dick ein Meister mit dem Vorschlaghammer. Er und Reg bewegten sich wie eine Maschine in gleichmäßigem Rhythmus, holten abwechselnd aus und schlugen zu. Etwa nach dem zehnten Schlag verschwand Regs Hammer halb in der Wand. Dick stoppte. Eine Weile gafften sie nur. Fawkes strahlte. Ist es das? Ist es das, Dick?
    Jetzt droschen die Hämmer noch schneller auf das Hindernis ein und brachen ein großes, rautenförmiges Stück Wand heraus. Reg versetzte ihm einen heftigen Tritt mit seinem massiven gelben Stiefel. Die Wand stürzte nach innen ein. Ein klaffendes Loch von etwa eins zwanzig Höhe und sechzig Zentimeter Breite war entstanden. Dick schob seine Schutzbrille auf die Stirn, ging vor dem Loch auf die Knie und spähte hindurch. Sein Kopf verschwand, und als er ihn wieder zurückzog, sagte er missgünstig : »Wie’s aussieht, haben Sie einen neuen Keller, Mr. Fawkes.«
    Eine Leiter und eine große Taschenlampe mit orangefarbenem Griff wurden geholt. Reg schob die Leiter durch das Loch und sicherte sie. Andrew zog Jackett und Krawatte aus. Warum will er da hinunter? , fragten die Zuschauer.Reg ging mit der Taschenlampe voran. Dann bestätigte er, dass die Leiter sicher stand.
    Andrew kroch rückwärts durch das Loch. Die Jungs kamen näher und schauten ihm nach. Dicks finsteres, zweifelndes Gesicht war das Letzte, was Andrew sah, ehe er hinunterstieg.
    In dem Kellerraum war es kalt und finster. Der tanzende Lichtstrahl der Taschenlampe beleuchtete die Sprossen.
    »Ich hab dich«, hallte Regs Stimme.
    »Sie halten die Leiter?«
    »Ja.«
    »Und es ist nicht gefährlich mit dem Wasser?«, erkundigte sich Andrew ängstlich. Er klammerte sich an die Leiter und machte vorsichtige Schritte, bis ihn Regs starker Griff auf den Boden half.
    »Woher wusstest du, dass es hier unten nass ist?«, wollte Reg wissen.
    Andrew folgte dem Licht. Der Boden war übersät mit Schutt aus dem zwanzigsten Jahrhundert: Putz, Staub, Nägel, Draht.
    »Woher wusstest du, dass es nass ist?«, wiederholte Reg.
    »Nass?«
    Andrew sah den schräg abfallenden Boden und die in die Steinwand gehauenen Löcher. Den Glanz von tropfendem Wasser. Und die Öffnung der Zisterne mit den zerklüfteten Rändern.
    »Sieh mal«, brummte Reg und leuchtete in die Öffnung. »Wenn man da reinfällt, bricht man sich den Hals. He! Vorsicht!«
    Andrew umrundete die Öffnung und schaute wie gebannt in die Tiefe. Auf der anderen Seite blieb er stehen.Reg berichtete der Gruppe, die oben stand und wissen wollte, was sie gefunden hatten. Fawkes’ Gesicht tauchte in dem Loch auf. Er rief neugierig und besorgt: Andrew, was ist es? Aber Andrew hörte nichts. Hier auf dem Boden lag, gerade und steif, als hätte jemand kräftig an den zwei gegenüberliegenden Ecken gezogen, ein sauberes, weißes Taschentuch.

TEIL 2
    Was sind tausend lebende Lieben gegen jene, die auf die tote nicht verzichten kann?

11

Atembeklemmung
    Dr. Judith Kahn betrat ihr Zuhause. Es war ein bescheidenes Drei-Zimmer-Cottage an der Covey Lane, zehn Minuten zu Fuß von der Schule entfernt. Schon ihr Vater hatte hier gewohnt (ihre Mutter war gestorben, als Judith noch ziemlich jung gewesen war), und nach seinem Tod hatte sie alles renoviert und neu eingerichtet, um es zu ihrem eigenen Heim zu machen und das Gefühl, dass sie noch immer bei ihren Eltern lebte, zu vermeiden. Neue Farbe, neue Möbel. Das war vor dreißig Jahren. Jetzt hatte sie selbst alles abgenutzt. Spuren an den Wänden, zu viele Fotos in den Regalen und auf den Fensterbänken, ihr alter Kaftan lag über der Lehne ihres Lieblingssessels. Sie war stolz, dass sie nicht in die Old-Lady-Behaglichkeit verfallen war. Sie konnte mit der Schäbigkeit der Bohemiens leben. Ihr Vater hatte ihr beigebracht, mit Geld umzugehen. Ihr gehörten die beiden Nachbarhäuser, die sie vermietet hatte, genau wie das Ladengeschäft an der Ecke Dudley Gardens und Lower Road. Wüssten die hochnäsigen Aristokraten in Harrow, wie viel ihre Schularchivarin zur Seite gelegt hatte, wären sie schockiert.
    An ihrem Anrufbeantworter blinkte das orangefarbene Licht, das sah sie schon, als sie noch an der Haustür stand. Sie tippte den Code in

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