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Weißes Gift im Nachtexpreß

Weißes Gift im Nachtexpreß

Titel: Weißes Gift im Nachtexpreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Schloß.
    Tim fand Nr. 744. Es lag am Ende einer
Gasse. Niemand war in der Nähe — auch kein Bahnpolizist. War noch Zeit, um die
Uniformierten zu alarmieren? Tim entschied sich dagegen. Und es hätte auch
tatsächlich nicht mehr gereicht. Denn die Ganoven kamen.
    Tim, hinter der Ecke postiert,
beobachtete mit einem Auge. Türke und Blaßgesicht näherten sich, wobei sie die Fächer
abzählten. Jetzt hatten sie 744 entdeckt. Auf den Triumphschrei verzichteten
sie. Aber Blaßgesichts Haut zeigte einen rosigen Freudenhauch, und der Türke
lutschte wie wild an den Schnauzbartspitzen.
    Blaßgesicht hatte den Schlüssel, schloß
auf, grunzte zufrieden und nahm das Paket heraus.
    Es war in Zeitungen eingewickelt und
mit Strippe verschnürt.
    „Ich werde dafür sorgen“, sagte
Blaßgesicht, „daß er eins drauf kriegt.“
    „Was?“
    „Attila Alico. Ihm gehört der Arsch
versohlt. Eine Schufterei ist das gewesen heute abend! Alico wird mir die Uhr
ersetzen. Und unser Geld. Darauf bestehen wir.“
    Sie wandten sich ab. Blaßgesicht trug
das Paket unterm Arm.
    Tim schätzte die Entfernung. Waren die beiden
bewaffnet? Sicherlich. Wie schnell hatten sie die Pistole in der Hand? Würden
sie schießen?
    Er rannte los, spurtete. Sie hörten ihn
erst, als er hinter ihnen war. Keine Zeit mehr zum Umdrehen. Tims Schulter
rammte Blaßgesicht mit Granaten-Wucht. Der Kerl flog gegen die Schließfächer
und ließ das Paket fallen. Tim erwischte es im Sprung und konnte gleichzeitig
beim Türken, der sich jetzt herumwarf, einen Drachenstampf-Tritt anbringen. Kung
Fu! Volle Pulle gegen die Hüfte im Kamelhaarmantel. Rücklings prallte der Typ gegen
die andere Schließfachreihe, und Tim flitzte weiter, das Paket im linken Arm an
sich gepreßt.

    Jetzt brüllte Blaßgesicht auf.
    Der Türke fluchte auf türkisch — wie
man sich ja immer der Muttersprache bedient, auch im Ausland, wenn die Gefühle
über einem zusammenschlagen.
    „Mendebur! Boka battim!“
    Tims Nackenhaare kräuselten sich. Noch
fünf Meter. Würden die Mistkerle schießen? Nichts passierte. Und in der
nächsten Sekunde sprintete er um die Ecke und hatte die Gefahr hinter sich gelassen. Im vollem Speed rannte er in die Bahnhofshalle, bis
hinter den Presse-Kiosk, wo er stoppte. Einige Rumhänger glotzten verwundert.
Tim spähte aus nach seinen Verfolgern. Dort kamen sie, rennend, blanke Wut auf
den Gesichtern. Der Türke hatte eine Hand in der Manteltasche, vermutlich am
Kolben der Pistole.
    Tim rannte zum Portal und hinaus in die
Nacht. Zisch — war er vorbei an Gaby, Karl und Klößchen, die eben ihre
Drahtesel sicherten. Seine Freunde sahen ihm nach. Tim stürmte zum Parkplatz
und tauchte unter zwischen den abgestellten Fahrzeugen. Stücker 100 mochten es
sein, darunter auch Busse und Lieferwagen.
    Aus sicherem Versteck heraus, spähte er
zurück.
    Türke und Blaßgesicht standen vor dem
Portal, ratlos wie eine Ufo-Besatzung, die gerade gelandet ist.
    Sie äugten in alle Richtungen, redeten,
gestikulierten, hatten keine Ahnung, wo Tim geblieben war. Ihren Gesten entnahm
er: Sie wollten sich trennen; der eine sollte dort suchen, der andere hier.
    In diesem Moment ertönte eine
Polizeisirene. Sie näherte sich über die Bahnhofstraße, kam schnell ganz nah;
und die beiden Ganoven ahnten offenbar, daß es ihnen galt.
    Im Sturmschritt entfernten sie sich —
in andere Richtung, gingen vorbei an Tims Freunden und verschwanden um die Ecke
der Lagerhaus-Straße.
    Die zieht sich lang und führt in eine
unfröhliche Gegend, hat Gassen und Hausdurchgänge zuhauf, wird gesäumt von
Gewerbe-Bauten, lärmigen Betrieben und natürlich Lagerhäusern, die ihr ja
schließlich den Namen gaben.
    Tim trat aus seinem Versteck, und Kommissar
Glockners BMW — mit dem Blaulichtsockel auf dem Dach — hielt vor dem
Bahnhofs-Portal. Ein Streifenwagen, der jetzt die Sirene abstellte, folgte mit
20 Metern Abstand.

14. Schreck in der Abendstunde
     
    Elke Streiwitz, die Mutter, hatte noch
Schwierigkeiten. Hier im Hause der Sauerlichs war alles so reich, so vornehm,
so üppig-
    Sicherlich — auch für
Wessi-Verhältnisse waren die Sauerlichs top, nicht jedermann aus der alten
Republik hatte sich diesen Wohlstand erarbeitet — dennoch: Elke war
verunsichert.
    Eine Um-drei-Ecken-Schwipp-Verwandtschaft
verband sie mit Erna. Die — Klößchens Mutter — war wirklich reizend und
unheimlich nett. Sie zeigte Elke alles: den Mikrowellen-Küchenherd, den man
ohne Ingenieurs-Abschluß nur schwer

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