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Weißes Gift im Nachtexpreß

Weißes Gift im Nachtexpreß

Titel: Weißes Gift im Nachtexpreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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herüber.
    „Das Paket enthält Scheuersand. Kein
Heroin. Sondern tatsächlich Scheuersand, ein bewährtes Reinigungsmittel.“
    „Wie bitte?“ rief Tim so laut, daß zwei
Männer herblickten, die vor dem Bahnhofseingang herumlungerten.
    „Mir wird einiges klar“, nickte Glockner.
„Irene Hansen hat die beiden Typen hereingelegt. Nicht nur du, Tim, hast die
Frau in Gefahr gebracht. Die Hansen konnte sich ausrechnen, daß man ihr auf die
Schliche kommt. Denn Makbule hatte ja gesehen, wie sie im Kurswagen das Paket
an sich nahm. Aber die Hansen hat vorgebaut und eine Attrappe ins Schließfach
gelegt. Das hier. Jetzt ist sie auf der Flucht — mit dem Heroin. Ein Wahnsinn!
Sicherlich träumt sie vom großen Geld.“

    „Vielleicht hat ihr Bruder“, sagte Tim,
„eine Verbindung zur Drogenszene. Aber — eigentlich sah er nicht danach aus,
sondern mehr wie ein bösartiger Frosch, der hilflose Leute schikaniert.“

15. Kinnhaken
     
    Untertauchen? Ja, und sofort. Was
anderes war für Bert Hansen nicht in Frage gekommen. Ertappt beim
Telefonterror. Der 19jährige wußte, was das bedeutet.
    Aber wohin?
    Er hatte keine Freunde zum
Unterschlupfen. Und er konnte seine Schwester, die von allem nichts ahnte,
unmöglich reinziehen in die Sache. Was blieb?
    Eine Idee kam, sah nicht sonderlich gut
aus, war aber in diesem Augenblick der Strohhalm, an den er sich klammerte. Wie
er wußte, behausten Otto Pawelke — den er brutal malträtiert hatte — und dessen
Kumpel Herbert eine Gartenlaube an der Hochriegel-Straße.
    Waren die immer noch dort?
    Vielleicht nicht. Pawelke war
sicherlich krankenhausreif, und Herbert würde glauben, daß man ‘s auf
seinesgleichen abgesehen hatte — daß Penner-Aufmischer unterwegs waren, um die
Stadt zu säubern.
    Wahrscheinlich hatte Herbert sich in
Sicherheit gebracht — bei der Masse der Stadtstreicher, die wie eh und je am
Fluß unter den Brücken schlief.
    Der Versuch kostet nichts, dachte Bert
und tippelte zur Hochriegel-Straße, wo er vorsichtig an die Gartenlaube
heranpirschte und zu seiner Freude feststellte: verlassen und leer.
    Er nistete sich ein, ohne sich zu
stören an Wanzen und anderem Kleinvieh. Er fand sogar Lebensmittelreste und
einige Flaschen Bier, Zeitungen waren genügend da. Er wußte, daß manche Penner
sie noch vor Tag klauten — aus den Zeitungsröhren der Abonnenten (Bezieher).
    Bert las, futterte, trank Bier, wärmte
sich mit den hinterlassenen Klamotten — und die nächsten 24 Stunden vergingen
wie im Flug.
    Einmal hatte er mit Irene telefoniert.
Vorsichtig hörte er heraus! Nein, Polizei hatte nicht nach ihm gefragt. Ein Trick?
Oder hatten ihn diese Kids — drei Jungen und ein Mädchen — gar nicht angezeigt?
    Am späten Samstagabend stand Bert
wieder in einer Telefonzelle und rief bei Irene an. War sie taub? Sie mußte
doch längst zu Hause sein. Aber sie ging nicht ans Telefon, so oft er es auch
läuten ließ.
    Blöde Kuh! dachte er. Sitzt wohl
irgendwo mit den anderen Putzlappen zusammen. Mit Türkinnen — brrrhhh!
    Er war Ausländerfeind.
    Gefahr bestand offenbar nicht mehr.
Also stiefelte er los. In der Armie-Gasse konnte er keinen Polizeiwagen
entdecken. Auch keine verdächtige Person.
    Er schloß die Haustür auf und stieg die
Treppe hinauf. Vor der Wohnung zögerte er einen Moment. War da ein Geräusch in
der Diele? Aha! Seine Schwester hatte endlich den Heimweg gefunden.
    Bert Hansen schloß auf.
    „Irene, ich bin ‘s.“
    Nanu? Alles dunkel ?
    Er knipste das Dielenlicht an und —
wollte aufschreien.
    Aber dazu kam er nicht mehr.
    Mehmet Kozluk, der nur einen halben Schritt vor ihm stand, landete einen Kinnhaken
wie aus dem Bilderbuch für Berufsboxer-Lehrlinge.
    Bert verdrehte die Froschaugen und
streckte sich auf den Boden. Für eine halbe Minute war Pause.
    Als er wieder zu sich kam, puddingweich
in den Knien, saß er auf dem Sofa im Wohnzimmer.
    Hier sah ‘s fürchterlich aus. Alle
Schränke und Schubläden waren aufgerissen, die Fächer durchwühlt.
    Zwei Männer hatten das Chaos
angerichtet. Jener, dem er den Kinnhaken verdankte, und ein bleichhäutiger
Großer, der Irenes Zigaretten-Vorrat gefunden hatte. Der Typ paffte
Glimmstengel, die ihm nicht gehörten, brach aber vorher das Filtermundstück ab.
    Der Schläger trug einen Kamelhaarmantel
und schien Ausländer zu sein: Türke, Jugoslawe, vielleicht ein Albaner.
Jedenfalls ein verrohter Finsterling aus dieser Ecke.
    Bert sah beiden in die Augen, und
sofort sank ihm das Herz in die

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