Weißes Gift im Nachtexpreß
Hose.
„Wer bist du?“ fragte Blaßgesicht.
„Ich... ich wohne hier. Ich bin Bert
Hansen.“
„Bist du ihr Mann?“
„Sie... Sie meinen Irene? Sie ist meine
Schwester?“
„Wo steckt sie?“
„Wie bitte? Was meinen Sie?“
„Wo sie ist?“
„Ich weiß nicht. Ich war seit gestern
abend nicht hier. Sie arbeitet schichtweise bei der Bundesbahn. Als
Raumpflegerin. Samstags meistens von sechs Uhr abends bis... Also, eigentlich
müßte sie schon hier sein.“
Die beiden tauschten Blicke
miteinander.
„Du willst also sagen, du hast sie
heute abend noch nicht gesehen“, meinte das Blaßgesicht.
„Seit gestern abend nicht.“
„Wenn sie sich verstecken wollte —
wohin würde sie gehen?“
„Verstecken? Irene hat doch keinen Grund...“
„Wohin?“
Kalter Schweiß lief Bert übers Gesicht.
„Ich... ich weiß nicht. Wir wohnen zwar zusammen. Aber von ihren Freunden — die
kenne ich nicht. Mit mir redet sie auch nicht darüber. Wissen Sie, jeder geht
seiner Wege. Wir haben nicht viel gemeinsam.“
Sie glaubten ihm nicht gleich, und
deshalb setzte es Schläge, was blaue Flecken zur Folge hatte und eine
Platzwunde unter dem Auge. Aber dann merkten sie, daß er die Wahrheit sagte und
ihnen keinen Hinweis liefern konnte.
„Hör genau zu“, sagte Blaßgesicht
drohend, „und richte es deiner Schwester aus, sobald sie sich meldet. Wir geben
ihr noch eine einzige Chance. Morgen um Mitternacht sind wir wieder hier. Dann
kriegen wir das Paket. Hörst du? Das Paket. Wenn nicht — dann beginnt die
Treibjagd auf sie. Und lebend übersteht sie das nicht. Klar?“
Bert nickte. Sein linkes Auge schwoll
zu.
„Und nicht die Polizei einschalten“,
warnte der andere.
Das wäre Bert sowieso nicht im Traum
eingefallen.
Sie gingen. Er hörte, wie sie die
Wohnung verließen. Die Tür fiel ins Schloß. Stille.
Sein ganzer Körper schmerzte. Mit
Schlägen und Püffen hatten sie ihn eingedeckt — mehr als er vertragen konnte.
Erschöpft und ohne sich zu rühren,
wartete er eine Weile. Was, zum Geier, war passiert? Worauf hatte Irene sich
eingelassen? Ein Paket! Sie besaß also etwas, das diese Halunken forderten.
Rätselhaft.
Er quälte sich auf die Füße, sah in die
anderen Zimmer und stellte fest — trotz der Unordnung — , daß zwei Koffer fehlten und Irenes beste Klamotten.
Seine Schwester war abgehauen. Wohin?
Was nun?
In seinem Zimmer ließ er sich aufs Bett
fallen, total abgeschlafft. Trotz der Schmerzen schlief er ein. Er träumte. Natürlich
einen Alptraum. Doch bevor der seinen Höhepunkt erreichte, klingelte das
Telefon.
Bert richtete sich auf. Hatte in seinem
Traum jemand angerufen oder... Nein, hier! Der Apparat in der Diele.
„Ja, hier Hansen.“
„Bert, bist du allein?“
„Mensch, Irene, ist bei dir der
Wahnsinn ausgebrochen? Ich komme heim — da sind zwei Typen in der Wohnung,
schlagen mich halbtot und wollen wissen, wo du bist. Ich...“
„Warnen“, fiel sie ihm ins Wort,
„konnte ich dich nicht. Wie denn? Du kommst ja nicht nach Hause und sagst
nicht, wo du dich rum treibst. Wie sahen sie aus die beiden?“
„Du! Sie haben mich zusammengeschlagen.
Ich bin halbtot. Und alles wegen dir.“
„Wie sahen sie aus?“
Mürrisch gab er eine Beschreibung ab.
Dann erzählte er, was sie ihm aufgetragen hatten. „Was für ein Paket ist das,
Irene?“
„Es sind fünf Kilo Heroin. Das Paket
habe ich gefunden. Und jetzt mache ich was daraus, denn der Stoff ist eine
Million wert. Eine Million, Bert! Dafür riskiere ich was.“
„Das geht nicht gut.“
„Doch! Ich finde einen Käufer.
Natürlich verlange ich keine Million, aber 200 000. Auch den beiden Typen würde
ich das Paket dafür zurückgeben. Aber ich glaube, mit denen ist kein Handel zu
machen.“
„Du, Irene, hier bleibe ich nicht. Wenn
die morgen um Mitternacht herkommen — ich bin nicht da.“
„Sondern wo?“
„Ich habe da eine Bude in der
Hochriegel-Straße. Nur ‘ne Gartenlaube. Aber niemand kümmert sich darum. Und
du?“
„Das sage ich lieber nicht. Du hast so eine
niedrige Schmerzschwelle. Sie könnten es rausprügeln aus dir.“
16. „Was hat Papa da gemacht?“
Tim kämpfte noch mit seiner
Verblüffung. Diese Irene Hansen! Das hätte er ihr nicht zugetraut. Unglaublich,
was für eine Schurkerei die abzog.
Die TKKGler standen neben Glockners
Wagen, auf ihre Drahtesel gestützt.
Der Kommissar legte das Paket auf die
Beifahrer-Fußmatte und sah auf die Uhr.
„Wird’s nicht Zeit für euch
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