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Weißes Gift im Nachtexpreß

Weißes Gift im Nachtexpreß

Titel: Weißes Gift im Nachtexpreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Verletzung
herrührt.“
    „Vorausgesetzt“, erwiderte Karl ebenso
leise, „Dieter sagt die Wahrheit.“
    „Den Eindruck habe ich eigentlich.“
    „Weshalb hat er die Sachen geraubt?“
fragte Klößchen.
    „Ist doch einleuchtend. Der Verdacht
sollte nicht auf seinen Vater fallen, sondern auf irgendeinen Straßenräuber.
Die Sachen konnte Dieter vorher nicht beiseite schaffen, weil...“ Tim ließ den
Satz unvollendet, denn Glockner kam aus dem Kleinen Salon.
    Sofort traten Sauerlichs aus dem
Kaminzimmer, und auch die TKKG-Bande verließ ihre Plätze.
    Glockners Miene war ernst.
    „Ich glaube, was Dieter aussagt“,
erklärte er. „Der Hieb, den er geführt hat, kann nicht diese Folgen verursacht
haben. Trotzdem bleibt es natürlich ein Überfall, Körperverletzung und Raub.
Aber ich bin sicher: Dieter wird milde Richter finden. Er hat Rache genommen
für das Verbrechen an seinem Vater — hatte sogar die Idee, ihm, seinem Vater,
zuvorzukommen, damit nicht der schuldig wird.“
    „Moralisch verständlich“, sagte Sauerlich.
„Sogar charaktervoll, aber nicht zu vereinbaren mit dem Gesetz.“
    „Damit stellt sich für mich die Frage“,
sagte Glockner: „Wer hat Malchow die — fast tödliche — Verletzung beigebracht?
Als Dieter weglief, muß der Täter schon in der Nähe gewesen sein. Er hat dann —
aus seiner Sicht — die Tat vollendet. Vermutlich hielt er Malchow für tot. Also
ein Mordversuch. Wer tat das?“
    „Vielleicht der Unbekannte mit den
ungewöhnlich kleinen Füßen“, sagte Tim.
    Glockner nickte. „Wir haben einen sehr
deutlichen Gipsabdruck vom rechten Schuh. In der Ledersohle sind zwei
Bruchstellen, und am äußeren Rand fehlt ein Stück. Dieser Abdruck ist so gut
wie ein Fingerabdruck. Aber wir brauchen den Schuh — und den Mann, dem er
gehört.“
    „Kleine Füße — kleine Statur“, meinte
Tim. „Das muß nicht immer so sein, ist aber mehr Regel als Ausnahme. Vielleicht
gibt es einen kleinwüchsigen Typ in Malchows Dunstkreis.“

23. Türkische Gastfreundschaft
     
    Unweit vom Hauptbahnhof lag die
Hotelpension DOLMUS, ein türkisches Etablissement, dem auch ein türkisches Café
angeschlossen war; abends wurde hier Bauchtanz geboten — dreimal die Woche.
    Attila Alico hatte sich bei dem
Landsmann, dem die Pension gehörte, ein Zimmer genommen und gleich zu Mittag
gegessen: Tamara ( Fischrogen-Paste ), Köfte ( Hackfleisch ) mit
Auberginen und anschließend Tavuk Gögsü (süßer Hühnerbrust-Pudding). Dazu trank er reichlich vom Raki, dem Schnaps.
    Jetzt war Attila in seinem Zimmer, saß
auf der Bettkante und stellte das Telefon neben sich.
    In einem Bett wie diesem kam er sich
immer ganz verloren vor. Es war 200cm lang, 140cm breit: ein Französisches
Bett. Zuhause in Istanbul benutzte er eine für ihn gearbeitete Lagerstatt, die
seinen winzigen Körpermaßen angepaßt war.
    Er nahm den Hörer ans Ohr, wählte die
Vorwahl der Türkei und dann 9-1/1467090.
    Eine kehlige Stimme meldete sich.
    Das war Ömer, der Leibwächter. Er hatte
noch andere Funktionen: Chauffeur, da er Autofahren konnte; Sekretär, da er
lesen konnte, schreiben und telefonieren.
    „Hier ist Attila“, sagte der Kurz-Türke
in seiner Muttersprache, „gib mir den ehrwürdigen Chef.“
    „Er raucht gerade Wasserpfeife“, erwiderte
Ömer. „Aber gut, ich versuch’s.“
    Es knackte, als sei ein Gewitter in der
Leitung.
    Dann meldete sich Yussuf. Mit ganzem
Namen hieß er Yussuf Kücük. In Istanbul fürchtete man ihn wie Blutrache und
Pest.
    „Inek oglu inek (Sohn einer Kuh) “,
sagte Yussuf ärgerlich. „Höre ich endlich von dir?“
    „Es ging nicht eher, Chef. Ich war bis
jetzt voll in action. Aber alles läuft bestens. Erfolg, Erfolg. Und trotzdem
kam es anders, als wir dachten. Zwar ist mir anfangs eine kleine Panne
passiert. Doch die mache ich wett heute nacht. Reg’ dich also nicht auf! Es ist
wirklich nicht schlimm. Mir ist zwar das Heroin abhanden gekommen — aber nicht
die Konkurrenz hat es, sondern eine Amateurin, eine junge Frau, die nichts
damit anfangen kann.“ Er berichtete Einzelheiten.

    „Kendini frenle! (Reiß dich am
Riemen!)“ sagte Yussuf. „Sonst — seni zerim (mach ich dich zur
Schnecke).“
    „Gleich wirst du begeistert von mir
sein, Chef. Denn der andere Auftrag ist erledigt. Aber das — hahahah — war so:
Ein anderer muß sich diese Beseitigung ans Bein binden. Stell dir vor: Wie ich
spätabends bei Landers herumschleiche, ist dieser Mistkerl nicht da.

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