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Weißes Gift im Nachtexpreß

Weißes Gift im Nachtexpreß

Titel: Weißes Gift im Nachtexpreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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dachte Schreyle
und glitt hinters Lenkrad.
    Hinter ihm stieg Attila ein, die
Pistole in der Hand.
    Der Türke war Mitte Dreißig, hatte ein
wettergegerbtes Ledergesicht und schwarze Locken, die er aufeinander türmte, um
größer zu wirken. Ständig trug er Cowboy-Stiefel, weil an denen die höchsten
Absätze sind.
    Jetzt glomm die Wut in seinen schwarzen
Augen.
    „Damit du Bescheid weißt, Schreyle:
Landers war mein Freund. Für den habe ich schon linke Dinger gedreht, als er
noch Malchow hieß und beim Stasi ‘ne große Nummer war. Verstanden! Immer, wenn
der nach Istanbul kam, hat er mir Aufträge zugeschanzt. Ich halte ihm die
Treue.“
    „Weiß ich doch. Warum erzählst du das?
Und was heißt: Er war dein Freund. Ist er’s nicht mehr?“
    „Tu nicht so scheinheilig. Mir fällt
doch seit langem auf, daß der Boss dir im Weg ist. Du willst das Kommando
haben.“
    „Was?“
    „Du steckst hinter dem Anschlag.“
    „Hinter welchem Anschlag? Pack endlich
aus, Mann! Ich verstehe kein Wort.“
    Attila zischte durch die Zähne und sah
sich rasch um. Sie waren immer noch allein. Und die Wagen — etwa ein Dutzend —
hatten keine Ohren.
    „Ich war gestern abend schon hier“,
erklärte Attila. „Habe mir ein Taxi genommen in Lerchenfelden. Ist ja keine
Entfernung bis hierher. Nur ans Heroin-Paket konnte ich leider nicht mehr ran.
Der Zug war weg. Das Paket lag im Kurswagen. Ein verdammtes Pech. Aber jeder
kann ja mal einen Fehler machen. Ich kam also her, und das Taxi brachte mich
bis in die Nähe von Landers Adresse. Daß ich nicht bei ihm vorfahre, ist
selbstverständlich.“
    „Ja, und?“
    „Ich bin zum Boss. Und gleich an die
Hintertür. Alle Fenster waren dunkel. Ich geklopft. Vergeblich. Bin dann ums
Haus rumgegangen — und da hat mich fast der Schlag getroffen vor Schreck.“
    „Weshalb?“
    „Du weißt es doch, Schreyle. Der Typ
hat doch in deinem Auftrag gehandelt.“
    „Was? Welcher Typ? Welcher Auftrag?“
    „Ich stand im Dunkeln, Schreyle, bei
der Hecke, verborgen hinter einem Strauch. Landers lag vor seiner Garage —
bewußtlos. Oder tot. Hinterrücks hat der Typ ihn niedergeschlagen. Ein junger
Kerl. Wer ist es? Wen hast du angeheuert?“
    „Bist du wahnsinnig! Ich habe niemanden
angeheuert. Ich weiß nichts von alldem. Mann! Was ist mit Landers?“
    „Der Typ, der ihn niedergeschlagen hat,
rannte weg. Ich glaube, er hat ihn beraubt. Natürlich wollte ich mich sofort um
den Boss kümmern. Aber in dem Moment kamen Leute — mindestens 20. Eine Gruppe.
Da bin ich getürmt. Später wollte ich zurück. Doch die Straße war voller
Menschen. Ein Auflauf. Alles, was dort wohnt, war auf den Beinen. Acht
Polizeiwagen habe ich gezählt. Und 20 Typen von der Mordkommission. Der Boss
wurde weggebracht. Ich glaube, im Blechsarg. Schrecklich! Eine Tragödie! Ich
trauere um ihn. Und du bist schuld.“ Schreyle spürte Gänsehaut bis zu den
Fußsohlen. Um Himmels willen! Was war da geschehen? Welches Unheil kündigte
sich an?
    „Attila“, sagte er in ruhigem Ton. „Ich
schwöre dir. Ich habe nichts zu tun mit diesem Verbrechen. Gut, gut, ich war in
letzter Zeit nicht ganz einverstanden mit Landers. Aber ich bin kein Verräter.
Du irrst dich, wenn du zwischen dieser Sache und mir einen Zusammenhang
vermutest. Also steck deine Waffe weg und spiel nicht verrückt.“

    Er schielte in den Rückspiegel und
stellte zu seinem Erstaunen fest, daß die verkrampfte Miene das Kurz-Türken
sich lockerte. Er nickte und schob seine Pistole unter den Mantel, einen beigen
Winter-Trenchcoat mit vielen Taschen. Darin sah Attila fast so breit wie hoch
aus.
    „Wenn ich dich zu Unrecht verdächtigt habe,
Schreyle — Schwamm drüber!“
    „Ja, Schwamm drüber.“
    Sonderbar! dachte Schreyle. Eben noch
fuchsteufelswild — jetzt versöhnlich. Ist das Istanbuler Art? Auch an seinem
Bericht ist irgendwas seltsam. Ich war doch ebenfalls in der Eichen-Allee. Zwar
später, aber nicht soviel später. Da war nichts mehr zu sehen von
Menschenauflauf und Polizei-Großeinsatz.
    Attila stieg aus, ging um den Wagen
herum und kletterte auf den Beifahrersitz. Das Ledergesicht wirkte zufrieden.
    „Bevor wir nachdenken“, sagte Attila,
„eine Frage: Habt ihr das Heroin-Paket?“
    „Noch nicht. Aber heute um Mitternacht
kriegen wir’s — hoffentlich. Da ist nämlich folgendes passiert...“
    Er berichtete.
    Attila lachte dreimal — und immer auf
andere Art: erst hämisch, dann schadenfroh, zuletzt anerkennend.
    „Das Weib“,

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