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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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brutal misshandelte. »Die arme Frau war fast nackt und halb verhungert«, berichtet Braithwaite, »…sie war des Englischen kaum noch mächtig und weckte großes Mitgefühl, da sie ein armes Kind an der Brust hängen hatte, dass nicht älter als 14 Tage sein konnte.« Russell war von ihrem Schicksal gerührt und bot ihr an, ihn während seines Aufenthalts in Meknes zu besuchen, wann immer sie wolle.
    Am Tag nach Mrs. Shaws Besuch teilte man Russell mit, dass ein Renegat aus Cornwall vor der Tür warte. Er bat den Mann herein und erfuhr, dass sein Name Thomas Pellow war. »Heute wurden wir von einem gewissen Pellow besucht«, schreibt Braithwaite, »einem jungen Mann aus einer anständigen Familie in Cornwall, der mittlerweile jedoch ein Maure ist.« Pellow war nun 23 Jahre alt und hatte seine Heimat seit 12 langen Jahren nicht gesehen. Braithwaite hatte von den Sklaven, mit denen er in Meknes gesprochen hatte, bereits einiges über Pellow gehört: »Die christlichen Gefangenen sprachen diesem jungen Mann einen wunderbaren Charakter zu und sagten, er habe Dinge ertragen, die sieben Männer hätten töten können, bevor es seinem Herrn gelang, ihn zum Übertritt zu zwingen.« In den Sklavenpferchen genoss Pellow für seinen Wagemut und seine Entschlossenheit ebenso großen Respekt wie für seine erstaunliche Überlebenskunst.
    Nun hatten Russell und Braithwaite Gelegenheit, sich die Einzelheiten von Pellows Gefangennahme und Leidensgeschichte aus dem Mund des Renegaten anzuhören. Dieser freute sich, seine Muttersprache hören und sprechen zu dürfen. Er erzählte von seinen Abenteuern im Dienst des verstorbenen Mulai Ismail und litt offensichtlich sehr darunter, fast die Hälfte seines Lebens in der Berberei verbracht zu haben. Mit seiner braunen Haut und seinem langen Bart musste er auf die beiden Engländer eher wie ein Marokkaner wirken. »Da er sehr jung entführt worden war, beherrschte Pellow die arabische Sprache so gut wie die Mauren«, erinnert sich Braithwaite, der von der Beredsamkeit dieses jungen Mannes beeindruckt war, der »einen ausgezeichneten Bericht« über die Ereignisse gab, die er in diesem Land gesehen hatte. Pellow erzählte ihnen auch von seinen militärischen Abenteuern und von seinem verzweifelten Fluchtversuch, nachdem er von Charles Stewart zurückgelassen worden war. »Er ist gegenwärtig ein Soldat wie alle Renegaten, die kein bestimmtes Handwerk ausüben und keinen besonderen Beruf haben.« Es fiel Braithwaite auf, dass sich Pellow in einer sehr viel besseren Lage befand als die meisten anderen ehemaligen Sklaven, die »derart wenig Lohn und Brot erhalten, dass sie verhungern müssten, würden sie nicht rauben und plündern, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten«.
    Mit einiger Sicherheit war Pellow derjenige, der Russell und Braithwaite auch den besten Waffenexperten des Sultans vorstellte, den irischen Renegaten Carr. Dieser ehemalige Sklave nahm in der höfischenHierarchie einen hohen Rang ein und hielt sich sogar eigene europäische Sklaven. »Mr. Carr gab für uns ein sehr elegantes Abendessen nach englischer Art«, berichtet Braithwaite. »Wir saßen auf Stühlen und aßen aus Zinngeschirr mit Messern, Gabeln, Tischtüchern und so weiter.« Die Männer hatten seit ihrem Aufbruch in Tetuan keine anständige Mahlzeit mehr genossen, so dass ihnen Carrs Einladung sehr willkommen war. »Wir hatten Wein, Punsch und Musikbegleitung durch christliche Gefangene.« Während die Sklaven ein fröhliches Lied spielten, ließen sich Russell und Braithwaite von dem gastfreundlichen Mr. Carr nachschenken.
    Langsam wurde Konsul Russell klar, dass er umsonst nach Meknes gereist war. Carrs Einladung war eine willkommene Ablenkung, aber Russel musste sich eingestehen, dass er seine Zeit vergeudete. Seine Stimmung verschlechterte sich weiter, als während eines schweren Gewitters Wasser in seinen Raum drang. »Es regnete in Mr. Russells Bett und in seine ganze Kammer, so dass es kaum noch möglich war, den Raum zu betreten.« Kurz nachdem Russell seine Unterkunft am Morgen verlassen hatte, stürzte die aufgeweichte Decke ein.
    Russell hoffte noch auf eine letzte Audienz beim Sultan, aber Achmed ed-Dehebi wurde zusehends ungehalten. Am 21. Dezember »befahl [er], den Jungen, der seine Pfeifen und den Tabak versorgte, in einen Abgrund zu werfen, weil er seine Pfeife zu fest gestopft hatte«. Russel ersuchte mehrfach um ein Treffen mit dem Sultan, wurde jedoch jedes Mal abgewiesen. Braithwaite

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