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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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irischen Renegaten, und drei Engländern aus dem Lager geleitet.« Als er eine der schweren Mörserkanonen bewunderte, erfuhr er, dass der Kanonier ein Franzose war. Man brachte ihn auch zu einem Bataillon, das zur Gänze aus 600 Renegaten bestand, die aus allen Winkeln Europas stammten. »Die meisten von ihnen waren Spanier, dazu kamen Franzosen und Portugiesen sowie etwa dreißig Engländer und Niederländer.« Alle waren sie als Zwangsarbeiter in Meknes gewesen und hatten sich für den Übertritt zum Islam entschieden, um die Ketten loszuwerden und zu überleben. Bei der Rückkehr wurden Russell und Braithwaite »in einen Hof geführt, wo [sie] mehrere christliche Zimmerleute sahen, die unter der Anleitung eines alten spanischen Renegaten Geschützlafetten anfertigten«. »Jene, die ich in Fes sah«, schreibt Braithwaite, »waren trübsinnige, betrunkene, lasterhafte Burschen, halbnackt und halbverhungert.« Viele andere waren »zur Bewachung abgelegener Festungen an den Grenzen des Landes abkommandiert worden, wo sie für ihren Lebensunterhalt Raubzüge unternehmen, bis die Einheimischen sie auf den Kopf schlagen«.
    In der dritten Novemberwoche verließ Konsul Russell mit seinem Gefolge Fes und machte sich auf den Weg nach Meknes. Man hatte Russell versichert, in der Hauptstadt befänden sich keine britischen Sklaven, aber kurz nachdem er dort eingetroffen war, gelang es zwei Gefangenen, an ihn heranzutreten: Argalus Carter war seit neun Jahren Sklave und hatte im Haushalt eines Sohns von Mulai Ismail gedient, und William Pendergrass war drei Jahre zuvor von einem niederländischen Schiff verschleppt worden.
    Am Tag nach seiner Ankunft wurde Russell aufgefordert, sich unverzüglich an den Hof zu begeben. Er stellte rasch fest, dass die von Mulai Ismail eingeführte Ordnung und Disziplin der Vergangenheit angehörten. »Man ließ uns etwa eine Stunde in diesem Vorzimmer des Königs warten«, berichtet Braithwaite, der beunruhigt beobachtete, wie die Höflinge miteinander stritten: »Es herrschte ein derartiger Aufruhr, dass man sich eher auf einem Gefängnishof als im Palast eines großen Fürsten wähnte.« Nach langem Warten teilte man den Engländern mit, dass der Sultan nun bereit sei, sie zu empfangen. »Und siehe … zwei große hölzerne Türen flogen auf, und wir sahen seine königliche Rohheit (sic!) unter einem hölzernen Baldachin sitzen.«
    Konsul Russell trug eine feierliche Würde zur Schau, als er dem Sultan die Geschenke übergab und ihm sein Beileid anlässlich des Todes seines Vaters ausdrückte. »Aber darauf hätte er ebenso gut verzichten können«, schreibt Braithwaite, »denn seine königliche Hoheit war so betrunken, dass er kaum den Kopf hochhalten konnte.« Er musste von seinen Eunuchen auf die Beine gestellt wurden, und verängstigte Höflinge krochen auf allen Vieren umher, während sich die Eunuchen damit abmühten, den Herrscher durch den Raum zu schleppen.
    Russell und Braithwaite waren angewidert von der Verkommenheit des Sultans. Seine Haut war »mit Pockenpusteln übersät« und sein Gesicht »sehr aufgedunsen«. Die Schneidezähne waren ihm ausgefallen, was ihm ein »sehr hässliches Aussehen« verlieh, und sein grüner Seidenturban hatte sich aufgelöst und »hing lose herunter wie bei einem Betrunkenen«. Russells Audienz war beendet, bevor er Gelegenheit gehabt hatte, den Vertrag zu erwähnen. Nachdem der Sultan wenige Worte gelallt hatte, wurde er von seinen Eunuchen weggetragen. Sein Großwesir bemühte sich um den Konsul und versicherte ihm überschwänglich, man werde seine Forderungen erfüllen. »Er verkündete, wie sehr er die Engländer liebe, und versprach uns die Welt. Er nannte die Engländer seinen Augapfel und machte uns verschiedene weitere eigenartige und extravagante Komplimente.«
    Russell hatte auf einen Schadenersatz für die englischen Schiffe gehofft, die in Verletzung des Friedensvertrags gekapert worden waren. Stattdessen erhielt die englische Gesandtschaft Besuch von einem nicht enden wollenden Strom europäischer Renegaten, die um Geld oder Hilfe baten. Eine Irin namens Shaw erzählte den Männern ihre schreckliche Leidensgeschichte. Sie war in Mulai Ismails Harem eingesperrt gewesen, und da der Sultan »die Neigung hatte, sich mit ihr niederzulegen, zwang er sie, sich in eine Maurin zu verwandeln«. Die folgende amouröse Begegnung war kein erfreuliches Erlebnis, und der Sultan überließ sie einem spanischen Renegaten von geringem Ansehen, der sie

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