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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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Palastrevolte hätte anzetteln können. Doch sie blieb stets loyal und zog es vor, ihre Macht im Schatten auszuüben. Solange ihr Sohn der offizielle Erbe des Sultans war, gab sie sich damit zufrieden, ihre Intrigen auf den goldenen Käfig des Harems zu beschränken.
    Mulai Ismail verstand es sehr gut, die europäischen Renegaten, die schwarze Garde und die reichen Juden unter Kontrolle zu halten. Jede einzelne Gruppe hätte seine Herrschaft bedrohen können, aber er gab ihnen keine Gelegenheit, sich gegen seine Übergriffe zur Wehr zu setzen. Wer in den Verdacht geriet, eine Verschwörung gegen den Sultan im Schilde zu führen, wurde augenblicklich mit einer Kugel oder einem Schwertstreich beseitigt. »Seine Herrschaft ist mehr als despotisch«, schrieb Pater Busnot. »Er behandelt alle, die in seinem Reich leben, nicht als freie Menschen, sondern als Sklaven.« Nach Einschätzung von Busnot betrachtete Mulai Ismail sich selbst als Verkörperung des Gesetzes und tötete, um seine Unbarmherzigkeit unter Beweis zu stellen: »Er schlägt ohne Reue Köpfe ab, nur um sein Geschick unter Beweis zu stellen, oder zwingt seine Untertanen, sich kopfüber in einen Abgrund zu stürzen, nur um seine uneingeschränkte Befehlsgewalt auszuüben.«
    Die Allmacht Mulai Ismails überraschte zahlreiche ausländische Besucher. Selbst wenn die reale Gefahr einer umfassenden Rebellion drohte, hegte er nie die geringste Sorge, man könne ihn stürzen. Pater Busnot besuchte Mulai Ismails Hof in einer Zeit großer Unruhe, als eine Reihe mächtiger Stammesfürsten gegen den Sultan aufbegehrten. Doch diesen schien das überhaupt nicht zu kümmern. Er »gewährte Fremden Audienz, genoss die Wonnen des Serails und verbrachte seine übrige Zeit damit, die Arbeit seiner Sklaven voranzutreiben«. Der französische Mönch war überzeugt, er werde in Kürze den Sturz Mulai Ismails erleben. Was er nicht wusste war, dass der Herrscher dank eines ausgedehnten Netzes von Spitzeln genau über die Rebellion im Bilde war. »Alles schien verloren, als sich durch das Wirken irgendwelcher geheimer Agenten, die keine Waffen einsetzten, ohne Beratungen und ohne irgendeinesichtbare Anstrengung all diese Stürme legten, die Meuterer niedergeschlagen, ihre Anführer ausgeliefert und auf die schrecklichste vorstellbare Art bestraft wurden.«
    Mulai Ismail stellte immer häufiger Vergleiche zwischen sich und Ludwig XIV. an, während er für alle anderen europäischen Herrscher nur Verachtung übrig hatte. Er verriet Pidou de St. Olon, dass der »deut sche Kaiser lediglich ein Gefährte seiner Wahlfürsten sei, dass der König von Spanien weniger Herr seiner Besitztümer sei als seine Minister, dass der englische König von seinem Parlament abhänge«.
    Daran war durchaus etwas Wahres, und es hilft zu erklären, warum die marokkanischen Chronisten Mulai Ismail in einem ganz anderen Licht sehen als die europäischen. In Marokko weckte seine uneingeschränkte Herrschaft nicht nur Furcht, sondern auch Bewunderung. Diesem Sultan war es gelungen, zahlreiche Meutereien und Aufstände niederzuschlagen und das Land mit eiserner Hand zu einen. Der marokkanische Chronist Mohammad al-Ifrani sah allein darin einen Grund für Verehrung: »Der Fürst der Gläubigen, Mulai Ismail, beendete den Kampf gegen seine Feinde erst, als er den gesamten
Maghrib
gezähmt und alle Ebenen und Berge erobert hatte.«
    Mulai Ismail hatte zudem den heiligen Krieg gegen die christlichen Enklaven in Marokko ausgerufen und die meisten von den Ungläubigen verteidigten Festungen zurückerobert. Seine christliche Sklavenbevölkerung, die bei den europäischen Autoren große Empörung weckte, war im Maghreb ein weiterer Grund für Verehrung. Dazu Pater Busnot: »Er ist stolz darauf und brüstet sich manchmal vor den Gefangenen damit, dass er alle Nationen Europas in der Zahl seiner Sklaven übertrifft.« Die Hofdichter in Meknes feierten die Bereitschaft des Sultans, von Europa Lösegeld zu erpressen:
    Oh Mulai Ismail, oh Sonne der Welt,
    Oh Du, für den alle Schöpfung nicht Lösegeld genug wäre,
    Du bist gleichsam das Schwert Gottes, das er aus der Scheide gezogen hat,
    um dich unter den Kalifen hervorzuheben,
    Denn wer Dir nicht zu gehorchen weiß, der wurde von Gott mit Blindheit
    geschlagen und wandert fernab des rechten Weges.
    Auch die Art und Weise, in der Mulai Ismail mit den gekrönten Häuptern Europas verkehrte, versetzte seinen Hof in Entzücken. Er kritisierteLudwig XIV. wegen seines

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