Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
nach was ganz Bestimmtem. Wie so Zeug, das sie zum Einbalsamieren von Leichen verwenden.«
»Sag das noch mal.«
»Einbalsamierungsflüssigkeit. Oder was Chemisches. Ach, Scheiße, ich weiß es nicht. Es war nur einen ganz kurzen Augenblick da, dann sind bei mir die Lichter ausgegangen.«
»Es war keiner von Gouzas Männern, Weldon.«
Er zog die Stirn in Falten und befingerte den roten Strich an seinem Hals.
»Weißt du was? Ich glaube, dein Bruder Lyle hatte die ganze Zeit über recht«, sagte ich. »Wie ich es sehe, ist dein Vater mit einem ziemlich spektakulären Auftritt wieder in deinem Leben aufgetaucht. Bring das Video doch zur DEA oder zur Zollbehörde, wenn du willst. Es fällt nicht unter meine Zuständigkeit.«
»Du willst es nicht?«
»Auf Jack Gates läuft bereits ein Haftbefehl wegen Mordes. Nichts von dem, was du mir gezeigt oder gesagt hast, kann dazu beitragen, einen der anderen Beteiligten hinter Gitter zu bringen.«
»Willst du damit sagen, daß ich die ganze Zeit völlig umsonst auf dieser Kassette gehockt habe und so unter Beschuß gekommen bin? Und alles, was du dazu zu sagen hast, ist, daß mein armer geistesgestörter Bruder die ganze Zeit damit recht gehabt hat, daß mein eigener Vater meinen Kopf auf einem Pfahl aufspießen will?«
»So leid’s mir tut, so ist es.«
»Nein, so ist es nicht, Dave«, sagte er. »Ich glaube, diesmal hab’ ich dich endlich durchschaut. Du bist gar nicht hinter Joey Gouza oder Jack Gates oder irgendeinem dieser Clowns von der Aryan Brotherhood her. In Wirklichkeit willst du den Arsch von meinem Schwager haben. Tatsache ist, wenn’s nach dir ginge, würdest du’s ihm so richtig besorgen, stimmt’s? Wie ein MG, das sich Charlie auf einem Reisfeld so richtig vornimmt.«
In völliger Stille starrten wir einander an wie zwei gegenüberstehende Buchstützen.
Ich fuhr zum Durchgangsasyl der Heilsarmee in Lafayette, wo ich Vic Benson anzutreffen hoffte. Ein freundlicher untersetzter Mann mit roten Wangen und dicken Koteletten, der das Asyl leitete, sagte mir, daß Benson vor zwei Tagen eine Schlägerei mit einem anderen Mann angezettelt habe, woraufhin er gebeten worden sei zu gehen. Als Antwort hatte er ruhig seinen Seesack gepackt und war ohne ein Wort zur Tür gegangen; dann hatte er auf halbem Wege haltgemacht, mit den Fingern geschnippt, als hätte er noch etwas vergessen, und war noch einmal in den Schlafsaal zurückgekehrt – lange genug, um seine Bettwäsche in die Toilettenschüssel zu stopfen.
»Was meinen Sie, wo er hin ist?« fragte ich.
»Überall wo es Schienen gibt«, sagte der Mann von der Heilsarmee.
»Kann ich mit den anderen reden?«
»Ich bezweifle, daß die irgendwas wissen. Aber Sie können es gern versuchen. Sie hatten ein bißchen Angst vor Vic. Er war irgendwie anders. Die meisten der Männer hier sind völlig harmlos. Bei Vic hatte man immer das Gefühl, daß ihm irgendein finsterer Gedanke durch den Kopf geht, so als würde er Sand zwischen den Backenzähnen zermahlen. Einmal, da war er beim Fernsehen ...« Er hielt inne, lächelte und schüttelte sich die Erinnerung aus dem Gesicht.
»Reden Sie weiter«, sagte ich.
»Er und ein paar Männer sahen so eine Sendung mit einem Fernsehprediger, und unvermittelt sagte Vic: ›Dem würde ich Säure in den Hals kippen, wenn’s sein Bruder nicht noch schlimmer verdienen würde.‹ «
»Welcher Fernsehprediger?«
»Dieser Kerl aus Baton Rouge, wie heißt er doch gleich?«
»Lyle Sonnier?«
»Ja, genau der. Ich habe versucht, es ins Unernste zu ziehen, und gesagt: ›Vic, was um alles in der Welt hast du gegen den Mann?‹ Darauf sagte er: ›Dasselbe, was der Hahn gegen das Küken hat, das meint, ihm gehört der Hühnerstall.‹ Wenn man mit Vic redete, war das ein bißchen so, als trete man in Spinnweben. Oder faßte aus Versehen mit der Hand in ein Klapperschlangennest.«
Wir sprachen mit einem halben Dutzend Männer im Schlafsaal, die allesamt gleichermaßen apathisch und mit dem gleichen freundlichen, leeren Gesichtsausdruck antworteten, der ihnen zu eigen war und den sie so automatisch hervorholten wie die Personalien und Lebensgeschichten, die sie in Hunderten von Ausnüchterungszellen und Hobo-Lagern bei den Eisenbahnschienen für sich selbst geschaffen hatten. Sie erinnerten mich an die Gestalten auf einem Gemälde von van Gogh oder Münch. Palmwedel und die sonnenbestrahlten Blätter von Bananenstauden raschelten gegen den Fliegenschutz vor den Fenstern, aber im
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