Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
allerlei Fleisch und Fisch gebrutzelt wurde und der aromatische Rauch in dichten Wolken hoch in die Eichenbäume stieg, die Schulfeste, wo in einem mit Papierlaternen geschmückten Pavillon zum Tanz gebeten wurde, und genauso an die unschuldige Lust, die wir in Cabriolets am Ufer schattiger Seen entdeckten, aus denen ein Froschkonzert ertönte. Man hatte das Gefühl, der Sommer würde nie vergehen, und die Welt sei ein freundlicher und ruhiger Ort. Das Leben war eine Party, zu der man eingeladen war und die man mit demselben Vergnügen und derselben Gewißheit genießen konnte wie den milden Abendwind, in dem immer der Duft von Flieder und Magnolien und das Aroma von Wassermelonen in einem entfernten Feld mitschwang.
Aber andere Erinnerungen sind genauso gegenwärtig: Die Jungs, die in der kleinen schwarzen Gemeinde Sunset »Nigger klatschen« gingen, die mit Luftgewehren und Schleudern Farbige malträtierten, die Blendgranaten auf die Veranden ihrer armseligen Häuser warfen. Für gewöhnlich hatten diese Jugendlichen stachelige Bürstenfrisuren, abstehende Ohren, Dreck unter den Fingernägeln. Sie wohnten in einem Teil der Stadt, wo die Straßen nicht gepflastert waren, Abfall die Hinterhöfe verunzierte und die Straßengräben zahllosen Moskitos und Wasserschlangen aus den Bewässerungskanälen Heimat gaben. Jeden Morgen wachten sie mit dem Gefühl auf, zu kurz gekommen zu sein, dem unabänderlichen Bewußtsein ihrer eigenen, elenden Existenz, und machten sich auf, Krieg gegen den Rest der Welt zu führen.
Wann immer wir uns mit erwachsenen Fanatikern und Rassisten konfrontiert sehen, seien es nun Antisemiten oder Mitglieder des Ku-Klux-Klan, gehen wir von der Annahme aus, daß für das alles vergleichbare schlechte soziale Verhältnisse verantwortlich sind. Manchmal ist das völlig zutreffend. Aber sehr oft ist genau das Gegenteil der Fall.
»Woran liegt’s bei dem Kerl? Beschissene Kindheit in ärmlichen Verhältnissen oder so was?« sagte Clete.
Wir saßen gegenüber von Bobby Earls Haus am Lake Pontchartrain in meinem geparkten Pickup.
»Soviel ich weiß, war sein Vater ein Süßwarenfabrikant aus »Baton Rouge«, sagte ich.
»Vielleicht ist er als Fötus mißbraucht worden.« Er blies Zigarettenrauch aus dem Fenster und musterte den eisernen Gitterzaun, den blaugrünen Rasen mit den stetig kreisenden Sprenklern, riesigen Eichen, deren Äste ein gewaltiges Blätterdach über der langen weißen Auffahrt bildeten. »Man scheint ’ne Menge Kohle machen zu können, wenn man den Rassenhaß schürt. Ich wette mit dir, daß da oben auf der Veranda sechs Fahrzeuge Platz hätten.« Er sah auf die Uhr. Der Himmel über dem See war grau, und der Wind peitschte die Wellen. »Hängen wir noch ’ne halbe Stunde dran, dann lad’ ich dich auf ’ne Portion Reis und rote Bohnen in Fat Albert’s ein.«
»Ich muß ziemlich bald aufbrechen, Clete.«
Er blies eine seiner Backen auf.
»Nun, Streak, du hast schon immer an die Kraft des Gebets geglaubt«, sagte er.
»Ja und?«
»Haben die bei den Anonymen Alkoholikern nicht einen bestimmten Begriff dafür. Genau. ›Das nächste Kapitel aufschlagend Vielleicht ist es jetzt soweit. Du machst dir soviel Sorgen um Bootsie und über Dinge, die du nicht ändern kannst, daß es dir den Kopf völlig vernagelt.«
»Da magst du recht haben.«
»Und?«
»Was, und?«
»Warum machst du es dir so schwer?« Er blickte jetzt unverwandt nach vorne, den Porkpie-Hut tief in die Stirn gezogen. »Ich kenn dich doch, mein Bester. Ich weiß, was du denkst, noch bevor du es denkst. Man kann’s auch übertreiben. Wenn du weiter so tief in dich hineinhörst, kommt der Punkt, wo die Zahnräder wieder schwer verhaken, und dann wird der Griff zur Flasche immer verlockender.«
»So ist es diesmal aber nicht.«
»Yeah, wahrscheinlich hast du recht. Ich sollte ohnehin der letzte sein, der hier mit guten Ratschlägen um sich schmeißt. Als es bei mir soweit war, daß ich mein Frühstück in flüssiger Form einnahm, da hat mich der Captain zu einem Seelenklempner geschickt, den sie sich von der Universität in Tulane ausgeliehen hatten. Na ja, dem hab’ ich dann ein paar Stories erzählt, so Zeug, das ich für ziemlich alltäglich hielt – kleinere Rassenkrawalle in meiner Jugend im Irish Channel, die Sache, wo ich mir bei einer Nutte ’nen Tripper eingefangen hab’, als ich noch verheiratet war, die Sache mit dem Schmalzkopf und Drogendealer und seinem Leibwächter, die du und ich damals
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