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Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Gefängnis zu arbeiten, und irgendwie schwante mir, daß da im Kern seiner Existenz eine solche Einsamkeit und Perversion war, daß er, sollte ihm das je bewußt werden, sich in dem kleinen Holzhaus, wo er mit den anderen Gefängnisangestellten in einem eigens abgegrenzten Bereich lebte, eine Kugel in den Kopf jagen würde.
    Er reichte einem schwarzen Häftling die Zügel seines Pferdes und ging, auf einen Stock gestützt, über einen Pfad zwischen den Weiden hindurch auf mich zu. Das Unterteil des Stocks war in ein etwa dreißig Zentimeter langes Stahlrohr eingelassen. Eine Bruyère-Pfeife ragte aus dem Gurt seiner verchromten Neunmillimeter-Automatik. Sein Händedruck war so schlaff wie der eines Mannes, der es nicht gewohnt ist, gesellschaftliche Kontakte zu haben. Er stopfte die Pfeife und drückte den Tabak mit dem Daumen fest, während seine Augen weiter die Männer beobachteten, die unter uns Sandsäcke vollschaufelten und herumwuchteten. Ich kannte ihn seit fünfzehn Jahren, und ich konnte mich nicht daran erinnern, daß er mich ein einziges Mal bei meinem Namen genannt hätte.
    »Eddy Raintree«, sagte er als Antwort auf meine Frage. »Yeah, das war einer von meinen. Was ist mit ihm?«
    »Ich glaube, er hat mitgeholfen, einen Deputy-Sheriff zu ermorden. Ich würde ihn gerne zu fassen kriegen, aber ich weiß nicht so recht, wo ich anfangen soll zu suchen.«
    Er zündete sich die Pfeife an und sah dem Rauch hinterher, der im Wind emporstieg.
    »Früher haben Männer wie der ihr Geld mit Bier und Weibern durch den Schwanz gejagt. Jetzt tun sie’s mit Drogen. Ich habe ihn und einen anderen mal dabei erwischt, wie sie ein paar Pillen aufgekocht haben, um sich mit einer Pipette einen Schuß zu setzen. Um das Zeug sauber zu kriegen, haben sie die Kante eines Geldscheins verwendet. Die haben nicht mehr Verstand wie eine Steckrübe.«
    »War er in irgendwelche Rassenkrawalle verwickelt?«
    »Wenn du Nigger und Weiße im selben Käfig hast, würde jeder dem anderen die Kehle durchschneiden.«
    »Wissen Sie, ob er in der AB war?«
    »In was war?«
    »Der Aryan Brotherhood .«
    »So was gibt’s bei uns nicht.«
    »Das ist aber eigenartig. Überall sonst sind die schwer angesagt.« Ich zwang mir ein Lächeln ab. Aber was seinen Job anging, verstand er keinen Humor.
    »Muß mich mal hinsetzen. Mir tut die Hüfte weh«, sagte er. Er hob den Stock und rief: »Walnut!« Ein Sträfling, offensichtlich ein Mulatte, die Gefängniskleidung voller Schweiß und Dreck, ließ den Spaten fallen, nahm einen Klappstuhl, kam im Laufschritt damit hochgelaufen und stellte ihn für den Captain auf.
    »Sag doch mal Mr. Robicheaux, weshalb du hier bist«, sagte der Captain.
    »Sir?«
    »Du hast genau gehört, was ich gesagt hab’.«
    Der Häftling blickte angestrengt auf einen Baum weiter unten am Deich.
    »Mord, in zwei Fällen«, sagte er dann ruhig.
    »Mord an wem?« sagte der Captain.
    »Meine Kinder. Die sagen, ich hab’ meine beiden Kinder erschossen. Das sagen die.«
    »Geh wieder an die Arbeit.«
    »Jawohl, Sir.«
    Der Captain wartete, bis der Sträfling wieder unten war, dann deutete er mit dem stahlbewehrten Stock auf einen anderen und sagte: »Sehen Sie den Großen dahinten, der gerade die Säcke da hoch auf den Deich wuchtet. Er hat eine fünfundachtzigjährige Frau vergewaltigt und ihr dann das Genick gebrochen. Wenn Sie den weißen Jungs sagen, daß sie mit so einem die Zelle teilen müssen wie den zwei da draußen, sonst haben sie keinerlei Anspruch auf Straferlaß, was meinen Sie dann, was da passiert?«
    »Ich kann Ihnen nicht ganz folgen.«
    Er zog an seiner Pfeife, einen trüben Ausdruck in den Augen, weil da etwas war, das nur er wußte. Der Himmel über uns war wolkenverhangen, und seine Lippen hoben sich kränklich-violett von der Gesichtshaut mit den vielen Leberflecken ab.
    »Zwei Weiße haben sie dieses Jahr im Block schon abgestochen«, sagte er. »Der eine davon war ein Kapo, der andere ein Big Stripe . Wir glauben, daß es beidesmal derselbe Nigger war, aber wir können es nicht beweisen. Wenn Sie als Weißer hier überleben müßten, was würden Sie dann tun?«
    »Das heißt also, es gibt in Angola zumindest etwas, was der AB entspricht?«
    »Nennen Sie es, wie Sie wollen. Mittel und Wege finden die immer. Daran ist nur der gottverdammte Supreme Court schuld.« Er schwieg einen Moment und fuhr dann fort. »Sie ritzen sich gegenseitig Hakenkreuze, Kruzifixe und Blitzstrahlen in die Haut und gießen dann Tinte

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