Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Trakt der sogenannten Big Stripes , notorischen Gewalttätern mit hohem Sicherheitsrisiko, zugebracht, nachdem man ihn verdächtigte, an einer Massenvergewaltigung beteiligt gewesen zu sein, bei der ein neunzehn Jahre alter Häftling in der Gemeinschaftsdusche ums Leben kam.
Genau wie Jewel Fluck war auch er vor drei Jahren entlassen worden, nachdem er die Strafe voll abgesessen hatte, so daß die Kartei keine aktuelle Adresse von ihm hatte. Aber am Ende von Raintrees Haftunterlagen war ein Vermerk, daß Captain Delbert Bean empfohlen hatte, diesen Mann grundsätzlich als Big Stripe zu führen und ihm keinerlei Zeit auf einen Hafterlaß anzurechnen.
Montags fuhr ich ganz früh hoch nach Angola, das nördlich von Baton Rouge am Mississippi River liegt. Ich passierte die Gatter zwischen Wachtürmen und die Zäune mit den Stacheldrahtaufsätzen und folgte der schmalen Straße. Sie führte vorbei an einem extra eingezäunten riesigen Bereich, den man »The Block« nannte, wo man sowohl die Spitzel als auch die Big Stripes in Einzelhaft hielt, durch Felder, wo Süßkartoffeln und Mais angebaut wurde, und frisch gepflügtes Ackerland, das sich bis runter zum Flußbecken erstreckte. Hinter mir ließ ich den alten Gefängnisfriedhof – wer als Häftling in Angola stirbt, bleibt hier für alle Ewigkeit; die plattgewalzten und unkrautüberwucherten Fundamente der »Schwitzkästen« von Camp A (es hatte zwei davon gegeben, rechteckige, enge, gußeiserne Folterkammern, mit einem Luftloch vom Durchmesser einer Zigarre – es war darin so eng, daß die Knie und das Hinterteil eines Häftlings, der zusammenbrach, festgekeilt waren); die zerfallenen Überreste der Steingebäude, die den Bürgerkrieg überdauert hatten (jahrelang hatte man dort schwarze Häftlinge untergebracht, darunter drei der besten Twelve-String-Blues-Gitarristen, die ich kenne – Leadbelly, Robert Pete Williams und Hogman Mathew Maxie); und schließlich unten am Ufer das alte Red Hat House, ein häßlicher, schmutzigweißer Klotz von einem Gebäude, dessen Name von den rotbemalten Strohhüten stammte, die die zur Zwangsarbeit verurteilten Schwerverbrecher tragen mußten, die dort eingesperrt waren, bevor sie unter diesem Dach den elektrischen Stuhl installierten, den man mittlerweile auch schon wieder in einer moderneren Anlage untergebracht hat, ein neues Haus mit gekachelten Wänden, in denen sich steriles, sauberes Licht spiegelt, das jeder Klinik zur Ehre gereichen würde.
Der Mississippi führte viel Wasser, und in der wilden Strömung schwammen entwurzelte Bäume und jede Menge Schlamm. Draußen auf dem Watt, zwischen den Weiden, sah ich Captain Delbert Bean auf seinem Pferd sitzen. Ein perlgrauer Stetson saß schief auf seinem Kopf, und er beaufsichtigte einen Häftlingstrupp, der Sandsäcke von einem Kipplader lud und am Fuß des Damms stapelte.
Keiner weiß, wie viele Häftlinge in diesem Deich begraben sind – ermordet vom Gefängnispersonal, bisweilen nur, um den anderen als Lehre zu dienen. Das wird einem jeder erzählen, der je in Angola gearbeitet hat oder inhaftiert war. Ich möchte ihre Namen nicht nennen, aber es gab da zwei Aufseher, richtige Veteranen, Brüder, die durch übermäßigen Genuß von Kornwhiskey entsprechend übel drauf waren, ein kleines Schläfchen unter einem Baum hielten, und dann, wenn sie aufwachten, einfach irgendeinen Unglücklichen herauspickten. Sie sagten ihm nur, er solle losrennen, und dann brachten sie ihn um.
Delbert Bean war ein Dinosaurier, der aus dieser Ära übriggeblieben war. Er war seit siebenundvierzig Jahren Gefängniswärter, und ich glaube nicht, daß er sich in seinem Leben jemals weiter als bis New Orleans oder Shreveport vom Zuchthaus weg entfernt hatte. Mir war nicht bekannt, daß er Familie oder Freunde hatte, nichts, was ihn mit der Außenwelt verband, und der Wandel der Zeiten war mehr oder minder spurlos an ihm vorübergegangen. Seine Augen waren von einem verwaschenen Blau, die Haut übersät von braunen Flecken von der Größe von Zehncentmünzen, die Leber von Zirrhose zerfressen. Unter dem langärmligen blauen Hemd ragte sein Bauch wie eine Wassermelone hervor. Er hatte den harten Akzent der Leute, die im Bergland von Nord-Louisiana lebten, und wenn er sprach, schwang in seiner Stimme absolute Gewißheit mit. In seinem Gesicht war kein Platz für Freude irgendwelcher Art.
Er war kein Mann, den man mochte oder nicht mochte. Er hatte den Großteil seines Lebens damit zugebracht, im
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