Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
West, Biloxi und Disney World: ein Astronautenhelm mit dem Emblem der Astros, eine Donald-Duck-Mütze mit Schnabelschirm, riesige Conch-Muscheln, getrocknete Seesterne, ein riesiger aufblasbarer Goofy, reihenweise Seeigel, eine korallenverkrustete Kanonenkugel, die ich aus dem Seven-Mile-Reef herausgehackt hatte. Ich zog ihren Daumen aus dem Mund und streichelte ihr übers Haar, als sie kurz blinzelte und einen Augenblick lang wach war. Dann schob ich den Riegel des Fliegenfensters wieder vor, mittlerweile Bestandteil einer stillschweigenden Übereinkunft, die sich jede Woche drei- oder viermal abspielte, wenn sie vergaß, das Fenster richtig zu schließen, nachdem sie Tripod entgegen der Hausordnung in ihr Zimmer gelassen hatte.
Ich zog mich im großen Schlafzimmer aus und setzte mich neben Bootsie, die fest schlief, nur in der Unterhose auf den Bettrand. Der Himmel hatte aufgeklart, und die Brise, die vom Bayou her wehte, raschelte im Mondschein in den Pecanbäumen. Der üppige, eiweißreiche Geruch im Marsch laichender Brassen drang mir in die Nase. Weit weg hörte ich einen Güterzug tuten.
Ich gab mir alle Mühe, die Sorgen des Tages abzulegen, versuchte, so gut ich konnte, die ganze innere Hitze und die Erschöpfung und die Wut durch Hände und Füße abfließen zu lassen, aber ich war so angespannt und aufgedreht, daß mir meine eigene Haut wie ein Gefängnis vorkam. Ich konnte ihn hören, den Tiger, der rastlos im Käfig hin und her lief, das sachte Scharren seiner Pranken am Gitterdraht. In der Dunkelheit waren seine Augen gelb und sein Odem so faulig wie Fleisch, das in der Sonne verdorben war.
Manchmal hatte ich Visionen davon, wie er William Blakes finsteren Wald der menschlichen Seele durchstreifte, der gestreifte Rumpf durchzuckt von einem gierigen Leuchten. Aber ich wußte, daß er nicht der Phantasie des Dichters entsprungen war; vielmehr war er das Produkt der selbstzerstörerischen Kräfte meines Alkoholismus, des dumpfen Triebes und der Ängste, vor allem meiner Angst vor dem Tod und meiner Unfähigkeit, ins Schicksal derer einzugreifen, die ich um keinen Preis verlieren durfte.
Dann drückte sich Bootsie gegen mich, und ich fühlte ihre Hand an meinem Oberschenkel und meinem Geschlechtsteil. Ich zog Boxershorts und Unterhemd aus und legte mich neben sie, nahm sie in den Arm und drückte mein Gesicht in ihr Haar. Ihr Körper war warm vom Schlaf, und sie umklammerte mich mit einem Bein und führte mich ein, und sie drückte fest gegen mein Kreuz. Wenn wir uns liebten, hatte ich im Kopf immer mehrere Bilder von Bootsie. Ich sah sie nie nur als eine Person, was vielleicht darauf zurückzuführen war, daß wir uns kannten, seit wir neunzehn waren. In meinem Kopf habe ich ein Bild von ihr in einem Organdy-Abendkleid und mit vom Sonnenbrand knallroten Schultern unter den Papierlaternen, als wir uns bei einem Tanzfest draußen beim Spanish Lake das erste Mal trafen. Dann war da die furchtsame Unschuld in ihrem Gesicht, als wir im Bootshaus meines Vaters beide unsere Jungfräulichkeit verloren, im Rhythmus des Regens, der aus den Zypressen in das stehende Gewässer so laut tropfte, wie unsere Herzen schlugen. Und da war auch immer noch das Bild ihrer schmerzverzerrten Augen, als ich sie zurückwies und sie tief verletzte, so tief, daß sie einen anderen heiratete, und das alles nur wegen meines pathologischen Selbsthasses und meiner Unfähigkeit, einem anderen Menschen die finstere psychische Landschaft zu erklären, die ich seit meiner Kindheit immer wieder betrat und verließ.
Aber genauso, wie mir Alafair wie ein Geschenk in einer schwankenden Luftblase im Wasser des Golfs gegeben worden war, glaubte ich auch, daß eine höhere Macht mir Bootsie wiedergeschenkt hatte, als ich keinerlei Anspruch mehr auf sie hatte und die Schulden meiner Jugend für mich selbst beglichen hatte. Es war wie ein Wunder, das den unvergleichlichen Sommer von 1957 so unmittelbar und greifbar und dauerhaft machte wie die Wunderblumen, die jede Nacht im Mondlicht auf dem Bayou Teche blühten.
Aber wie konnte man das Gute vom Schlechten trennen, überlegte ich.
Dann legte sie beide Beine in meine, hielt mich in sich ganz fest, den Mund geöffnet und naß an meiner Wange, und vor meinem inneren Auge sah ich eine Welle, die in einer Schaumfontäne an den harten Konturen einer weit entfernten Hafenmole brach, dann einen einzelnen Korallenbrocken, der sich vom Grund des Ozeans gelöst hatte, und einen Schwärm kleiner
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