Weißglut
versuchte, sich vergeblich über den Radau hinweg verständlich zu machen, trotzdem rief sie ihn immer wieder und schwenkte dabei panisch die Arme.
Dann sah sie Fred Decluette vortreten, bereit, Beck zur Hilfe zu kommen.
Aber ihr Bruder streckte den Arm vor und legte ihn Fred über die Brust, um ihn zurückzuhalten. Sie sah, wie Chris kopfschüttelnd etwas sagte. Fred sah ängstlich auf den Fleck, wo die aufgebrachten Streikenden Beck umringt hatten, dann kehrte er widerstrebend auf seinen Platz an Chris’ Seite zurück.
Ihren Bruder in die tiefsten Höllenschlunde verfluchend, stürmte Sayre vor und schubste dabei jeden zur Seite, der sich ihr in den Weg stellte. Ein Ring von johlenden Zuschauern hatte sich um die Männer gebildet, die Beck inzwischen zu Boden geworfen hatten und reihum auf ihn eintraten.
»Lasst ihn in Frieden!« Sie packte den Mann vor sich am Hemd und riss ihn zurück. Er schoss herum, die Hände kampfbereit zu Fäusten geballt, und erstarrte, als er sie sah.
Sie kämpfte sich weiter vor, bis nur noch zwei Männer über Beck gebeugt dastanden. »Hört sofort auf!«, kreischte sie, als der eine den Fuß zurückzog, um einen gemeinen Tritt zu landen. Der Mann stutzte und drehte sich um. Seine Verblüffung nutzend, schubste sie ihn zur Seite und kniete neben Beck nieder.
Sein Gesicht war mit Schweiß und Blut überströmt, aber er war noch bei Besinnung. Sie sah zu Luce Daly auf. »Rufen Sie die Männer zurück. Das führt zu nichts.«
»Ich fühle mich aber besser dabei.«
Sayre sprang auf die Füße und baute sich dicht vor der anderen Frau auf. »Wird sich Clark deshalb auch besser fühlen?« Sie bemerkte ein unsicheres Flackern in Luces Augen und sagte: »Immerhin hat ihn Beck gestern Nacht ins Krankenhaus gefahren.«
»Trotzdem gehört er zu denen.«
»Aber ich nicht.«
Luce spie verächtlich: »Von wegen!«
»Nur von meiner Geburt her, Luce, und dafür kann ich nichts. Aber ich gehöre nicht zu ihnen, und ich glaube nicht, dass Sie das wirklich glauben.« Als die Frau vor ihr das nicht bestritt, fuhr Sayre fort: »Ich weiß, dass Sie mich nicht leiden können. Ich kann das sogar verstehen. Aber ich schwöre, dass ich keine Gefahr für Sie darstelle. Clark ist Ihr Ehemann. Er liebt Sie, und ich weiß, dass Sie ihn auch lieben. Sorgen Sie dafür, dass der Angriff auf ihn zu etwas Gutem führt, Luce. Dass wir mehr erreichen als nur Vergeltung für das, was gestern Nacht passiert ist. Dass wir mehr erreichen als Vergeltung für etwas, was vor langer Zeit passiert ist, lang bevor Clark Sie kennen gelernt hat.«
Sie und Luce maßen sich mit Blicken, doch Sayre erkannte in den Augen der anderen, dass sie allmählich nachgab. Schließlich fragte Luce: »Die Männer, die Clark zusammengeschlagen haben – soll ich mich wirklich auf Merchants Wort verlassen, dass sie bestraft werden?«
»Sie brauchen sich nicht auf sein Wort zu verlassen. Ich gebe Ihnen meines.«
Luce sah sie eindringlich an, dann wandte sie sich an den Mann, der ihr das Mikrophon gegeben hatte. Sie nickte barsch. Auf eine Handbewegung von ihm hin zogen sich die Männer rund um Beck zurück.
Sayre kniete neben ihm nieder und schob die Hände unter seine Achseln. »Kannst du aufstehen?«
»Schon. Nur nicht so schnell.«
Sie verlor das Wortgefecht darüber, ob sie ihn ins Krankenhaus fahren sollte. »Ich war in der letzten Zeit öfter in der Notaufnahme, als mir lieb ist.« Er verzog das Gesicht, weil ihn das Reden anstrengte.
»Wahrscheinlich haben sie dir ein paar Rippen gebrochen.«
»Nein. Ich weiß, wie sich eine gebrochene Rippe anfühlt. Das habe ich zweimal erlebt. Beim Football. So weh tut es nicht. Fahr mich einfach nach Hause.«
Er biss die Zähne zusammen und presste die Hände auf seine Seite, während sie von der Straße auf den kleinen Weg zu seinem Haus einbog. »Und schließ das Tor ab, wenn du fährst« , sagte er. »Wegen der Reporter.«
Was die Medien aus den Ereignissen an diesem Morgen machen würden, hatte sie noch gar nicht bedacht, aber natürlich würde der Vorfall Schlagzeilen machen. Man würde dem Management von Hoyle Enterprises nachstellen, um einen bissigen Kommentar zu bekommen. Und Nielson genauso.
Sie hielt nicht vor dem Haus, sondern fuhr gleich nach hinten.
»Was soll das?«
»Hier hinten ist mein Auto nicht zu sehen.«
»Lass mich einfach aussteigen, Sayre. Du brauchst mich nicht zur Tür zu begleiten.«
»Nein, aber vielleicht muss ich dich tragen«, sagte sie
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