Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast
baumeln ließen. Sie löste ihr Haarband und kämmte mit den Fingern durch ihr langes schwarzes Haar. »Ich glaube, ich bin so lange allein gewesen, dass ich vergessen habe, wie schön es ist, einen Komplizen zu haben.« Sie grinste mich an. »Ich liebe uns. Wir sind das Beste, was es je gab.«
Das Beste, dachte ich. Brie. Emma. Sadie. Tess.
Ich berührte meine Glücksbringerkette und spürte, wie das kleine Herz zwischen meinen Fingern warm wurde, während ich an die drei dachte. Meine Mädels. Ich verschwieg Larkin, dass ich in diesem Moment alles dafür gegeben hätte, damit es zwischen uns vieren wieder so sein könnte wie früher.
»Ich liebe uns auch«, sagte ich schließlich und verdrängte meine Freundinnen aus meinen Gedanken. Kein Grund, die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen.
»Das ist übrigens eine schöne Kette«, sagte Larkin. »Das wollte ich dir schon lange sagen.«
»Danke«, antwortete ich. Zum ersten Mal bemerkte ich ein kleines Tattoo auf ihrer linken Schulter. Ein kleiner Kreis mit einem X darüber. Es sah jedoch nicht nach richtiger Tattoofarbe aus. Vielmehr schien es ihr mit einer Klinge in die Haut geritzt worden zu sein.
»Wann hast du dir das machen lassen?«, fragte ich.
Sie sah auf ihre Schulter und ließ ihr Haar in dunklen Wellen darauffallen. »Ach das? Das war nur eine Dummheit, die ich während der Frühjahrsferien in der zehnten Klasse gemacht habe. Ich bin mit ein paar Leuten nach Cancun gegangen. Wir haben uns nachts weggeschlichen, als unsere Eltern schliefen. Dieser Typ, Justin Chance, hat sich ein Tattoo machen lassen und mich dann herausgefordert, mir auch eines stechen zu lassen. Weißt du, ich glaube, ich bin ein echter Idiot, was Mutproben angeht.« Sie verdrehte die Augen. »Teenager.«
Ich schaute wieder zum Horizont, und ein Schatten draußen in der Bucht erregte meine Aufmerksamkeit. »Was ist das?« Ich hatte eine kleine einsame Insel entdeckt, weit hinter Alcatraz, in Richtung Sausalito (einer kleinen Küstenstadt, in der es einen der weltweit besten Käsetoast-Imbisse gab). Die Insel wirkte naturbelassen. Nichts als Wald und Strand, soweit ich das erkennen konnte.
»Angel Island«, sagte Larkin. »Schon mal davon gehört?«
Ich überlegte, konnte mit dem Namen aber nichts anfangen. »Nö.«
»Nun, das ist kein besonders schöner Ort. Du findest die Stadt verbesserungswürdig? Nach Angel Island gehst du, wenn dir nichts mehr geblieben ist. Dort gehen die Toten hin, um zu sterben.«
Bei ihren Worten lief mir ein kalter Schauer über den Rücken.
Dort gehen die Toten hin, um zu sterben.
Für einen Moment dachte ich, ich hörte eine Stimme, die mir etwas zuflüsterte – ganz leise und kaum wahrnehmbar.
Nimm dich in Acht, Engel.
Hatte ich mir das nur eingebildet? Ich war nicht daran gewöhnt, jemand anderen in meinem Kopf zu haben.
Nimm dich jetzt gut in Acht.
Larkin nahm meine Hand, und die Stimme verschwand wie Rauch. »Versprich mir, dass du bei mir bleibst, Brie. Alles ist so viel besser, seit du hier bist.« Sie stand auf und wies mit einer ausladenden Geste auf das atemberaubende Panorama, das vor uns lag. »Was in aller Welt könnte besser sein als das hier?«
Sie hatte recht.
Ich dachte daran, wie viel besser es mir ging, seit ich hier war. Wie froh ich war, sie gefunden zu haben und mich endlich wieder ein bisschen zu Hause zu fühlen.
»Nichts«, antwortete ich. »Es gibt nichts Besseres.« Und das meinte ich auch so.
Larkin zog mich hoch, sodass wir nebeneinanderstanden. »Wer am schnellsten unten ist.«
Ich grinste. »Bist du sicher, dass du die Königin der Kunstspringer herausfordern willst?«
»Süße«, antwortete sie provozierend, »ich krieg dich locker.«
Wir zählten bis drei und stürzten uns kreischend in die Tiefe, während der Wind uns auf dem Weg nach unten um die Ohren pfiff.
Ein paar Tage später – obwohl die Tage ohne einen richtigen Sonnenaufgang schwer zu zählen waren – hingen wir an einem unserer Lieblingsplätze im Tenderloin-Viertel herum: dem Spielplatz im Sergeant-John-Macaulay-Park, an der Ecke O’Farrell und Larkin Street.
»Das ist wirklich die bei Weitem schönste Straße San Franciscos, findest du nicht auch?«, meinte Larkin, die kopfüber vom Klettergerüst hing.
»Narzisstin«, spottete ich von der Schaukel aus. Ich holte kräftig Schwung, und als ich hoch genug schaukelte, schloss ich die Augen und stellte mir vor, ich würde durch die herrlich kühle Frühlingsluft fliegen. Irgendwo
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