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Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Titel: Weit Gegangen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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und die Tatsache, dass sie zu viert waren, bedeutete, dass Gott gewillt war, all das Unglück in meinem Leben wiedergutzumachen. Gott war gütig und Gott war gerecht.
    Unwillkürlich meldete ich mich häufiger im Unterricht. Meistens waren meine Antworten richtig. Ich war, kaum zu glauben, schlauer als noch wenige Tage zuvor. Ich setzte mich ganz nach vorne. Obwohl ich damit weiter von den Mädchen entfernt war, wollte ich einen Platz haben, auf dem ich Mr Kondit auffiel und somit natürlich auch seinen Nichten. Ich beantwortete jede Frage, die mir gestellt wurde, und abends lernte ich eifrig. Ich wollte unbedingt von den Mädchen bemerkt werden, und wenn die Schule die einzige Gelegenheit war, sie zu sehen – und das war so, da sie auf der anderen Seite des Camps wohnten, wo die wichtigeren Leute untergebracht waren –, dann musste ich eben im Unterricht glänzen.
    Jedes Mal, wenn ich eine richtige Antwort gab, sagte Mr Kondit: – Gut, Achak! und dann schielte ich möglichst unauffällig nach hinten zu den Nichten, um zu sehen, ob sie es mitgekriegt hatten. Aber das war anscheinend selten der Fall.
    Den Elf dagegen war es nicht entgangen, und sie zogen mich unaufhörlich und gnadenlos damit auf. Mein neuer Erfolg in der Schule trübte ihren eigenen Glanz, und das gab Anlass zu einiger Besorgnis. Sie wollten wissen, ob ich vorhätte, ihnen damit weiter auf die Nerven zu gehen.
    – Wieso interessierst du dich auf einmal so für die Schule, Achak?, fragten sie.
    – Ist Bildung deine Mutter und dein Vater, Achak?, fragte Moses.
    Ihre Hänseleien zwangen mich schließlich, meine Strategie zu offenbaren.
    – Ist mir scheißegal, ob Bildung mein Vater ist!, sagte ich.
    Die Elf fielen vor Lachen um.
    – Ihr wisst genau, warum ich mich dauernd melde. Und jetzt haltet die Klappe.
    Aber ich hatte ja gerade erst angefangen. Je mehr ich mich bemühte und je länger die Nichten unbeeindruckt schienen, desto kräftiger legte ich mich ins Zeug. Ich half nach dem Unterricht, putzte die Tafel und ordnete Mr Kondits Unterlagen und Bücher. Ich überprüfte zu Beginn des Unterrichts die Anwesenheit der Schüler, was sich als Segen und Fluch zugleich erwies. Während ich ihre Namen aufrief, musste ich mich den vielsagenden Blicken der Elf stellen, von denen mich jeder Einzelne wie irre angrinste und mancher übertrieben kokett mit den Wimpern klimperte. Aber wenn ich mit ihnen durch war, durfte ich die Namen Agar, Akon, Agum und Yar Akech aufrufen und wurde somit der einzige Junge, den die Mädchen direkt ansahen, der einzige Junge, mit dem sie sprachen. Hier, sagten die Schwestern. Hier, hier, hier.
    Sie waren die Königlichen Nichten von Pinyudo. Einer aus meiner Unterkunft taufte sie so, und fortan wurden die Mädchen sowohl von den einundfünfzig Schülern ihrer Klasse als auch im übrigen Camp so – oder alternativ die Königlichen Mädchen – genannt. Es gab noch andere Familien, andere Schwestern, ja, aber keine war so durch und durch hinreißend wie sie. Es war kaum anzunehmen, dass die vier Mädchen nicht von ihrem Spitznamen wussten, und keiner bezweifelte, dass sie ihn schmeichelhaft fanden. Sie wussten um die Bewunderung, die wir für sie hegten, aber noch immer schienen sie uns nicht zur Kenntnis zu nehmen, vor allem aber mich nicht.
    Als das Schuljahr voranschritt, entwickelte ich Zweifel an meiner Strategie. Ich war der Klassenbeste, aber sie achteten gar nicht auf mich. Zweifel kamen in mir auf, ob ihnen meine schulischen Leistungen oder die irgendeines anderen Jungen überhaupt imponierten. Höchstwahrscheinlich wollten sie nichts mit jemandem wie mir zu tun haben, einem elternlosen Jungen. Das war etwas ganz anderes, als die Nichte von Mr Kondit zu sein. Die elternlosen Jungen standen in Pinyudo auf der untersten Sprosse der Leiter, und das rief man uns unablässig in Erinnerung. Wir hatten nur wenig und noch dazu zerlumpte Kleidung, unsere Unterkünfte sahen aus, als seien sie von kleinen Jungen errichtet worden, was natürlich auch stimmte. Als ich hier in den Vereinigten Staaten ankam, brachte mir einer meiner alten Freunde aus den Flüchtlingslagern ein Geschenk, einen Tinker-Toy-Bausatz. Die dünnen Holzstäbe erinnerten mich stark an die Stangen, mit denen wir unsere ersten Unterkünfte in Pinyudo errichteten, und ich musste lachen. Achor Achor und ich bauten eine Minikopie der Unterkunft von Gruppe zwölf auf unserem Couchtisch, und dann lachten wir noch mehr. Die Ähnlichkeit war wirklich

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