Weit Gegangen: Roman (German Edition)
Wir flochten sie zusammen zu einem Moskitonetz, das fast groß genug für uns beide war. Wir banden die Decke daran, und das Ganze sah ganz schön gut aus. Wir waren stolz auf unsere Konstruktion und freuten uns darauf, darunter zu schlafen. Wir vereinbarten, nicht in der Nähe unseres Lagers zu urinieren, um die Moskitos nicht anzulocken.
Doch bald begann es zu regnen, und unsere Vorbereitungen waren vergeblich. Als Wasser unter das Netz drang, setzten wir uns auf und hoben das Netz an, und dabei schwirrten die Moskitos massenhaft hinein. Wir verbrachten die Nacht hellwach, nass und im wilden beidhändigen Kampf gegen die Insekten, übermüdet, durchnässt und überall mit unserem eigenen Blut betüpfelt.
Der Regen tötete viele Jungen. Der Regen machte uns kraftlos und brachte Insekten mit, und die Insekten brachten die Malaria mit. Der Regen schwächte uns alle. Ganz so wie bei den Lehmkühen: Unter dem unerbittlichen Regen wurde der Lehm weich und gab nach, und bald war der Lehm keine Kuh mehr, sondern zerfiel. Das Gleiche machte der Regen mit den leidenden Menschen von Pochalla, vor allem mit den Jungen, die keine Mütter hatten: Sie zerfielen unter der Kraft des Regens, sie lösten sich auf und wurden wieder zu Erde.
Am Morgen lagen Achor Achor und ich ausgestreckt auf dem Bauch und beobachteten die Menschen, die nach Pochalla gekommen waren, und die Menschen, die noch immer kamen. Den ganzen Tag über, vom ersten bis zum letzten Licht, trafen sie ein. Wir sahen zu, wie das freie Feld sich füllte und die Bäume in der Menschenmasse verschwanden, die sich dort versammelt hatte.
– Denkst du, Dut ist hier?, fragte Achor Achor.
– Ich glaube nicht, sagte ich.
Wenn Dut in der Nähe wäre, würden wir das wissen, dachte ich. Ich ging davon aus, dass Dut noch lebte und andere Gruppen von Jungen in Sicherheit führte. Die Menschen würden nicht nur nach Pochalla gehen, und wenn irgendwo Flüchtlinge durch die Nacht zogen, dann war Dut bestimmt bei ihnen und führte sie.
– Denkst du, das Stille Baby ist hier?, fragte Achor Achor.
– Ich glaube schon, sagte ich. – Oder zumindest bald.
An jenem Tag hielten wir Ausschau nach dem Stillen Baby, aber wir sahen nur Babys, die weinten. Ihre Mütter versorgten sie und ihre eigenen Verletzungen. Überall waren Verwundete. Aber nur die leicht Verwundeten hatten es bis Pochalla geschafft. Tausende starben am Gilo River und Hunderte auf dem Weg nach Pochalla. Es gab keine Möglichkeit, ihnen zu helfen.
– Ich bin es satt, diese Menschen zu sehen, sagte Achor Achor.
– Welche Menschen?
– Die Dinka, all diese Menschen, sagte er und deutete mit dem Kinn auf sie.
In unserer Nähe stillte eine Mutter ihr Baby, während sie ein anderes Kind zwischen den Füßen hielt. Nur die Mutter war bekleidet. Drei weitere Kleinkinder saßen brüllend in der Nähe. Der Arm von einem sah aus wie das Gesicht des gesichtslosen Mannes, dem ich auf meiner Flucht aus Marial Bai begegnet war.
– Ich will nicht für immer einer dieser Menschen sein, sagte Achor Achor.
– Nein, sagte ich zustimmend.
– Ich will wirklich keiner dieser Menschen sein, sagte er. – Nicht für immer.
Dieselben Menschen, die Pinyudo verlassen hatten, organisierten sich in Pochalla neu. Die meisten hatten unterwegs alles verloren. Das Camp war eine armselige Ansammlung von Plastik, kleinen Lagerfeuern, Decken und schmutziger Kleidung. Es gab nichts zu essen. Dreißigtausend Menschen suchten Nahrung auf einem Feld, wo ein paar Hunde Mühe gehabt hätten zu überleben.
Achor Achor und ich taten uns mit zwei anderen Jungen aus dem nördlichen Bahr al-Ghazal zusammen, und wir zogen in den Wald, um Zweige und Gras zu sammeln. Wir bauten eine A-förmige Hütte mit einem Grasdach und Lehmwänden und verbrachten die meiste Zeit darin, trocken und warm um ein fast unaufhörliches Feuer, das wir aufmerksam hüteten, sodass es groß genug war, um uns zu wärmen, aber nicht so groß, dass es aufs Dach übergreifen und uns alle rösten würde.
– Sterben wäre eindeutig besser, sagte Achor Achor eines Abends. – Lass uns irgendetwas unternehmen und sterben. Okay? Wir gehen los, kämpfen mit der SPLA oder so und sterben einfach.
Ich war seiner Meinung, widersprach ihm aber trotzdem.
– Gott nimmt uns zu sich, wenn er es möchte, sagte ich.
– Ach, hör doch auf mit dem Scheiß, grollte er.
– Willst du dich denn selbst umbringen?
– Ich will irgendwas tun. Ich will nicht ewig hier warten. Hier werden
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