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Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Titel: Weit Gegangen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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Verdacht, uns im Kreis zu bewegen. Endlich gerieten wir auf einen breiten Pfad, auf dem alte, getrocknete Spuren eines Wagens oder Lasters zu sehen waren. Der Weg war frei, und Achor Achor war sicher, dass er uns nach Pochalla führen würde.
    Wir waren eine Stunde unterwegs, der Wind war wild und warm und wehte uns sonderbare Laute entgegen. Das klang nicht nach einem Erwachsenen – wie Erwachsene klangen, hatten wir unterwegs oft gehört, Stöhnen und Würgen –, das war ein Baby, das leise weinte. Es machte mir Angst, dass ein Baby einen solchen Laut von sich gab, heiser und halb erstickt, wie das Todesröcheln einer Katze. Bald darauf fanden wir das Kind, etwa sechs Monate alt, neben seiner Mutter, die tot quer über dem Weg lag. Das Baby versuchte einen Moment lang, an der Brust seiner Mutter zu saugen, ehe es mit einem Schrei aufgab, die winzigen Hände zu Fäusten geballt.
    Die Mutter des Babys hatte eine Bauchwunde. Vielleicht war die Kugel bereits am Fluss durch sie hindurchgegangen, und die Frau war bis hierher gekrochen, ehe sie zusammenbrach. Auf dem Weg war eine Blutspur.
    – Wir müssen das Baby mitnehmen, sagte Achor Achor.
    – Was? Nein, sagte ich. – Das Baby wird weinen, und dann findet man uns.
    – Wir müssen das Baby mitnehmen, sagte Achor Achor erneut und ging in die Hocke, um das nackte Kind aufzuheben. Er nahm den Rock der Mutter und wickelte ihn um das Kind. – Wir können es nicht hierlassen.
    Als Achor Achor das Baby einwickelte und es an seine Brust schmiegte, wurde es still.
    – Siehst du, es ist ein stilles Baby, sagte er.
    Wir nahmen das Stille Baby und gingen weiter. Aber ich glaubte, das Kind sei dem Tode geweiht.
    – Jedes Baby, das von einer Toten trinkt, muss sterben, sagte ich.
    – Du bist ein Dummkopf, sagte Achor Achor. – So ein Unsinn. Das Stille Baby wird leben.
    Wir trugen das Stille Baby abwechselnd, und es gab kaum einen Laut von sich, während wir gingen. Bis heute weiß ich nicht, ob es männlich oder weiblich war, aber ich stelle mir immer vor, dass es ein Mädchen war. Ich hielt die Kleine fest an mich gedrückt, und ihr warmer Kopf schmiegte sich zwischen meine Schulter und mein Kinn. Wir liefen an kleinen Feuern vorbei und über lange Strecken durch dunkles Schweigen. Die ganze Zeit ruhte das Stille Baby an meiner Brust oder auf meiner Schulter, die Augen weit geöffnet, und gab keinen Laut von sich.
    Mitten in der Nacht stießen Achor Achor und ich auf eine Gruppe, die im Gras neben dem Pfad saß. Sie bestand aus zwölf Leuten, die meisten davon Frauen und alte Männer. Wir erzählten den Frauen, wie wir das Stille Baby gefunden hatten. Eine Frau, die aus dem Hals blutete, bot an, die Kleine zu nehmen.
    – Macht euch keine Sorgen um das Baby, sagte sie.
    – Es ist ein Stilles Baby, sagte Achor Achor.
    Ich nahm die Kleine von meiner Schulter, und sie öffnete die Augen. Die Frau nahm sie, und das Baby blieb ruhig. Achor Achor und ich gingen weiter.
    Achor Achor und ich stießen auf eine große Gruppe von Männern und Jungen, die am Wegesrand rasteten, und gemeinsam marschierten wir nach Pochalla. Als wir dort ankamen, sahen wir die, die aus Pinyudo geflohen waren und überlebt hatten. Acht der Neun hatten es über den Fluss geschafft, wie wir erfuhren. Es gab zwei Zeugen, die sich sicher waren, dass Akok Kwuanyin ertrunken war.
    Wir versuchten, uns diese Information zu vergegenwärtigen, aber es war unmöglich. Wir taten so, als wäre er nicht gestorben. Wir beschlossen, später zu trauern.
    Tausende von Sudanesen saßen überall auf freiem Feld um eine stillgelegte Flugpiste herum. Achor Achor und ich hatten uns eine Ecke im hohen Gras unter einigen Bäumen ausgesucht. Wir trampelten das Gras platt, weil wir dort schlafen wollten. Kaum waren wir damit fertig, fing es an zu regnen. Wir hatten kein Moskitonetz, aber Achor Achor hatte eine Decke gefunden, und so legten wir uns nebeneinander und teilten sie uns brüderlich.
    – Stechen dich die Moskitos?, fragte ich.
    – Natürlich, sagte Achor Achor.
    Die ganze Nacht zerrten wir an der Decke, zogen sie uns gegenseitig weg, und keiner von uns schlief. Schlafen war unmöglich, wenn die Moskitos hungrig waren.
    – Hör auf zu ziehen!, zischte Achor Achor.
    – Ich ziehe doch gar nicht, beteuerte ich.
    Ich muss gestehen, dass ich doch zog, aber ich war so müde, dass ich selbst nicht mehr wusste, was ich tat.
    In der Nacht baten Achor Achor und ich die Ältesten um Sisalsäcke, und wir bekamen jeder einen.

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