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Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Titel: Weit Gegangen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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einer Weile sah ich in der Ferne ein kleines Feuer. Wir erreichten das Feuer und wurden von den Menschen dort freundlich begrüßt. Sie kannten den Alten und fragten mich, woher ich kam und was ich gesehen hatte. Ich erzählte es ihnen, und sie sagten, dass auch sie geflohen waren. Sie gaben mir Wasser, und ich betrachtete ihre Dinka-Gesichter, rot im Feuerschein, und ich dachte, dass diese Nacht das Ende der Welt war und dass es keinen Morgen mehr geben würde. Die roten Gesichter im Feuerschein waren Geister, und ich war tot, alle waren tot, die Nacht war ewig. Ich war zu müde, um es zu verstehen oder verstehen zu wollen. Ich schlief ein, inmitten ihrer Wärme und ihres Gemurmels.
    Als ich im lila Licht des Morgengrauens erwachte, waren da vier Männer, alle bis auf einen schon älter, und zwei Frauen, von denen eine ein Baby stillte. Das Feuer war erloschen, und ich fühlte mich allein.
    – Du bist wach, sagte einer der alten Männer. – Gut. Wir müssen bald weiter. Ich bin Jok.
    Jok bestand nur aus Knochen und einem verschlissenen blauen Gewand. Er saß da, die Knie hoch neben den Ohren, die Hände schlaff auf den Knien. Eine der Frauen fragte mich, woher ich käme. Sie sprach in das Gesicht des nuckelnden Kindes. Ich antwortete, dass ich aus Marial Bai sei.
    – Marial Bai! Du bist weit weg von zu Hause. Wer ist dein Vater?
    Ich sagte ihr, dass mein Vater Deng Nyibek Arou sei.
    Das weckte Joks Interesse.
    – Das ist dein Vater, der Kaufmann?, fragte er.
    Ich sagte ja.
    – Und welcher Sohn bist du?, wollte er wissen.
    Ich nannte meinen vollen Namen, Achak Nyibek Arou Deng. Der dritte Sohn der ersten Frau meines Vaters.
    – Es tut mir leid, Achak Denk, sagte er. – Jemand aus deiner Familie ist tot. Ein Mann.
    Jok und die beiden Frauen sagten alle, sie hätten etwas über die Familie des Kaufmanns mit dem Namen Deng Nyibek Arou gehört.
    – Entweder dein Vater oder dein Onkel, sagte ein jüngerer Mann mit Brille. – Einer von ihnen ist tot.
    – Ich denke, es war dein Vater, sagte die stillende Frau, die noch immer nicht von ihrem Baby aufsah. – Es war der reiche Mann.
    – Nein, sagte der junge Mann, – ich bin fast sicher, es war der Bruder.
    – Du wirst es noch früh genug erfahren, sagte die Mutter. – Wenn du nach Hause kommst. Ach, weine nicht. Es tut mir leid.
    Sie streckte den Arm über die Asche des Feuers von letzter Nacht aus, um mich zu berühren, aber sie war zu weit weg. Ich beschloss, dass ich ihr nicht glauben würde, dass sie nichts über meinen Vater wusste. Ich wischte mir mit dem Handrücken die Nase und fragte, ob sie den Weg zurück nach Marial Bai kannten.
    – Das ist ein halber Tag zu Fuß in diese Richtung, sagte Jok. – Aber du kannst da nicht hin. Die Reiter sind noch da. Sie sind überall. Bleib bei uns, oder geh mit Dut Majok. Der will näher ran, um rauszufinden, was los ist.
    Ich erfuhr, dass der junge Mann mit Brille Dut Majok hieß. Ich erkannte in ihm den Lehrer von Marial Bai, den Lehrer der älteren Jungen, den Ehemann der Frau, mit der ich am Fluss gesprochen hatte. Er war selbst fast noch ein Junge.
    Als der Tag anbrach, beschloss ich, mit Dut Majok zu gehen. Wir brachen auf, nachdem wir ein paar Nüsse und Okras gegessen hatten. Dut war nicht älter als zwanzig oder so, kleiner als der Durchschnitt und ein bisschen rundlich in der Bauchgegend. Sein Gesicht war klein, der Kopf saß dicht bei den Schultern. Er riss Blätter von den Bäumen, an denen wir vorbeikamen, zerrupfte sie in kleine Stücke und ließ sie ins Gras fallen. Ihn umgab ein Hauch von Gelehrtheit, und das lag nicht nur an seiner Brille. Er wirkte stärker an allem interessiert – an mir, meiner Familie, den Fußspuren, die wir gelegentlich entdeckten –, als ich das je bei irgendwem erlebt hatte.
    – Warst du schon im Viehcamp?, fragte er.
    – Nein.
    – Wahrscheinlich noch zu jung. Wo warst du, als sie kamen?
    – Zu Hause. Bei uns zu Hause.
    – Dein Vater war ein kluger Mann. Ich habe ihn gemocht. Lustig, gescheit. Es tut mir sehr leid für dich. Hast du was von deiner Mutter gehört?
    Ich schüttelte den Kopf.
    – Tja. Das Dorf wurde diesmal vollständig niedergebrannt. Viele Frauen sind in ihren Hütten verbrannt. So machen die Murahilin das jetzt. Das ist neu. Die Höfe in eurer Nachbarschaft, wo die wohlhabenderen Leute wohnten, die großen Höfe – die brennen die Reiter am liebsten nieder. Wahrscheinlich ist eurer schon beim letzten Mal angezündet worden, nicht wahr? Ist sie

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