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Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Titel: Weit Gegangen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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ein tropischeres Land gingen, als Marial Bai das um diese Jahreszeit war. Wir waren schon sehr fern von daheim.
    Dengs Dorf unterschied sich nicht sehr von meinem. Er war im Viehcamp, nur wenige Meilen entfernt, als die Murahilin kamen. Das Schießen begann, ältere Jungen fielen um, wo sie standen, und bald war das Viehcamp gestürmt.
    – Ich rannte, sagte Deng. – Ich rannte zurück ins Dorf, weil ich dachte, das wäre das Beste, aber dorthin wollten auch die Reiter. Es war dumm von mir, dorthin zu laufen. Ich rannte auf mein Haus zu, aber es brannte schon. Die Araber brennen gern Häuser nieder. Hast du gesehen, wie sie Häuser niederbrennen?
    Deng stellte mir ständig solche Fragen.
    – Ich rannte zur Schule, erzählte er weiter. – Das war ein ganz einfaches Gebäude, Zement und ein Wellblechdach, aber es kam mir sicherer vor, und ich wusste, es würde nicht brennen, weil uns das unser Lehrer immer gesagt hatte, dass es nicht brennen würde, weil es so gebaut war. Ich rannte zur Schule und versteckte mich; ich blieb den ganzen Tag in der Schule. Ich hockte in dem Schrank, wo sie das Unterrichtsmaterial aufbewahren.
    Ich fand, dass das ein dummes Versteck war, weil sie doch meistens nach Kindern suchten, die sie stehlen wollten. Aber das sagte ich Deng nicht. Ich fragte nur, ob die Araber nicht in der Schule nach Menschen gesucht hätten.
    – Doch, haben sie! Natürlich. Aber ich war in dem Schrank versteckt, einem Metallschrank. Ich war im untersten Fach, und ich hatte einen Sisalsack um mich gewickelt. Ich war unter dem untersten Brett mit einem Sisalsack zugedeckt, und sie sahen mich nicht, obwohl ein Mann den Schrank aufmachte. Ich blieb zwei Tage dort, während sie das Dorf niederbrannten.
    Ich fragte Deng, wie er es so lange in einem so engen Versteck ausgehalten hatte.
    – Es ist mir peinlich, das zu sagen, aber ich habe mir in die Hose gemacht. Ich musste scheißen, und ich begreife noch immer nicht, wieso er mich nicht gerochen hat. Es ist mir noch immer peinlich, dass ich mir in die Hose geschissen hab. Und ich lief viele Tage in dieser Hose herum, Achak. In derselben Hose. Ich blieb zwei Tage in dem Schrank. Ich kam nicht ein einziges Mal raus. Ich sah den Tag kommen und die Nacht kommen, durch das Schlüsselloch im Schrank. Zweimal sah ich den Tag kommen und gehen. Die ganze Zeit hörte ich die Pferde und die Araber. Männer schliefen in der Schule, und ich konnte sie hören.
    – Haben sie den Schrank nicht wieder aufgemacht?
    – Doch! Sie haben ihn oft aufgemacht, Achak. Aber da war mein Kot nicht mehr mein Feind, sondern mein Freund! Jedes Mal, wenn sie die Tür öffneten, mussten sie würgen, wenn sie meinen Kot rochen! Ich habe mich richtig gefreut. Ich strafte die arabischen Dreckskerle mit meinem Kot, und das machte mich stolz. Zehnmal öffneten sie die Schranktür, und jedes Mal mussten sie würgen und knallten die Tür wieder zu, und ich war sicher. Jedes Mal traten sie gegen die Tür. Diese blöden Dreckskerle. Sie dachten, ein Tier sei darin krepiert.
    Ich war erstaunt, welche Schimpfwörter Deng kannte.
    – Schließlich verließen die Araber die Schule. Ich hörte sie nicht mehr und machte langsam die Tür auf. Mir tat alles weh, weil ich da so lange eingepfercht gewesen war und nichts getrunken oder gegessen hatte. Als ich rauskam, war niemand in der Schule, aber draußen waren Männer. Die meisten waren fort, aber ein paar waren noch geblieben. Einige Männer auf Kamelen und ein paar Soldaten. Ich weiß nicht, warum sie da waren, aber sie wohnten in den Häusern, die sie nicht in Brand gesteckt hatten. Zwei wohnten im Haus meiner Großmutter. Es machte mich ganz krank, als ich sie aus Großmutters Haus kommen sah, als gehörte es ihnen. Ich versteckte mich bis zum Abend weiter in der Schule, und dann verschwand ich von dort. Das war ganz einfach. Ich war ja nur ein Junge, und die Nacht war sehr dunkel. So verließ ich meinen Heimatort und rannte und rannte, und als ich weit genug war, fühlte ich mich sicher. Ich rannte bis zum Morgen und kam in ein Dorf, wo zwei Dinka-Männer mich aufnahmen und mir zu essen gaben. Als sie mich zum ersten Mal hörten, hatten sie Angst. Ich kam aus dem Gras, und einer von ihnen zielte mit einem Gewehr auf mich. Er hatte ein ganz kleines Gewehr, das in eine Hand passte. So.
    Deng richtete einen kleinen knochigen Finger auf mich.
    – Die Männer hatten Angst, aber dann sahen sie, dass ich bloß ein Junge war. Sie schimpften eine Weile mit mir,

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