Weit Gegangen: Roman (German Edition)
Kuach Malek. Er war ein Kommandeur der SPLA. Er war sehr wichtig. Er hatte hier eine dicke Narbe.
Deng zog mit dem Finger eine Linie von meiner Schläfe zum Ohr.
– Er sagte, die sei von einer Bombe. Er wurde mein Vater. Er sagte, ich würde bald ein Soldat sein, dass er mich ausbilden würde. Ich wurde sein Assistent. Ich holte Wasser für ihn und putzte seine Sonnenbrille und machte sein Radio an und aus. Es gefiel ihm, mir zu sagen, ich solle es anmachen, anstatt es selbst zu tun. Dann hörten wir gemeinsam den Rebellensender und manchmal die BBC-Weltnachrichten. Er war mir ein guter Vater, und ich durfte das Gleiche essen, was er als Kommandeur aß. Ich dachte, ich würde einfach für immer sein Sohn sein, Achak. Ich war zufrieden, solange ich bei ihm bleiben konnte.
Der Gedanke, an einem Ort zu bleiben, erschien mir an jenem Tag sehr verlockend.
– Dann, eines Tages, kamen die Soldaten der Regierung. Malek war nicht zu Hause, als der Panzer kam. Alle Rebellen liefen auseinander und machten sich kampfbereit, und eine Sekunde später kam der Panzer durch die Bäume gerollt. Alles explodierte, und ich lief einfach los. Ich lief allein, und ich lief, bis ich zu einem Lastwagen kam, der gebrannt hatte. Da war nur dieser eine ausgebrannte Lastwagen. Also versteckte ich mich über Nacht in diesem Lastwagen, bis ich keine Schüsse mehr hörte. Am Morgen sah ich niemanden mehr. Malek war fort, die Rebellen waren fort, und die Soldaten der Regierung waren fort. Also ging ich in die Richtung, von der ich annahm, dass die Rebellen sie eingeschlagen hatten. Und schließlich kam ich zu einem Dorf, das noch nicht überfallen worden war, und dort begegnete ich einer Frau, die sehr freundlich war und die nach Wau wollte. Also stieg ich mit dieser Frau in einen Bus. Ich hatte vor, nach Wau zu fahren und bei dieser Frau zu leben. Sie sagte, dort sei es sicher und dass ich ihr Sohn sein könne. Also stieg ich in den Bus, und wir fuhren eine Weile, und ich schlief. Dann weckten mich Schreie. Der Bus wurde angehalten. Ich sah aus dem Fenster, und da waren Rebellen. Sie waren zu zehnt, bewaffnet, und sie schrien den Fahrer an. Sie zwangen alle, aus dem Bus zu steigen. Alle mussten erklären, wohin sie wollten. Dann nahmen sie …
– Wo hast du das Hemd her?
Dut hatte sich zu uns bis fast ans Ende der Kolonne zurückfallen lassen und interessierte sich für Deng. Dengs Hemd amüsierte ihn.
– Das hat mein Vater mir geschenkt, sagte Deng. – Er hat es in Wau bekommen.
– Weißt du, was das für ein Hemd ist?
– Nein, sagte Deng.
Deng wusste, dass Dut über sein Hemd lachte.
– Mein Vater hat gesagt, das Hemd hat eine besonders gute Qualität.
Dut lächelte und legte Deng einen Arm um die Schulter.
– So ein Hemd nennt man Smokinghemd, mein Sohn. Man trägt es, wenn Leute heiraten. Du trägst das Hemd eines Bräutigams.
Dut schnaubte belustigt.
– Aber ich habe noch nie eines in Rosa gesehen, sagte er und lachte laut auf.
Deng lachte nicht. Es war gemein von Dut, das zu sagen, und als er das merkte, versuchte er, die Stimmung aufzulockern.
– Was haben wir hier bloß für eine prächtige Truppe!, rief er uns allen zu. – Ihr seid wirklich unglaublich gut zu Fuß. Geht immer schön weiter. Wir müssen weitergehen, bis es dunkel ist. Bei Anbruch der Nacht werden wir ein Dorf erreichen, und dort bekommen wir etwas zu essen.
Da vergaß ich, dass Deng dabei gewesen war, mir seine Geschichte zu erzählen, und ich vergaß, ihn zu fragen, wie sie weiterging. Jeder Junge hatte so eine Geschichte, in der viele Orte vorkamen, an denen sie gehofft hatten zu bleiben, viele Menschen, die ihnen geholfen hatten, aber verschwunden waren, viele Feuer und Kämpfe und Abschiede. Aber ich hörte nie den Schluss von Dengs Geschichte, und darüber habe ich oft nachgedacht.
Wir zogen durch ein eigenartiges Land. Wir sahen verbrannte Felder, ausgeweidete und kopflose Ziegen. Wir sahen die Spuren von Pferden und Lastwagen, übersät mit schönen Patronenhülsen. Noch nie war ich an einem Tag so lange gegangen. Seit dem Morgen hatten wir nicht angehalten, und auch nichts gegessen. Die Wasserrationen verteilten wir aus einem Kanister, den Dut mitgebracht hatte und den wir abwechselnd trugen.
Wir waren den ganzen Tag unterwegs gewesen, als wir zu einem belebten Dorf kamen, das ich nicht kannte. Es war ein perfektes Dorf. Die Menschen bewegten sich so unbeschwert auf den Wegen, wie wir das auch in Marial Bai getan hatten. Die Frauen
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