Weit Gegangen: Roman (German Edition)
wenigstens, welche Geräusche mich erwarten. Ich will keine Geräusche mehr hören, und ich will nicht mehr fürchten, dass wir bombardiert oder gefressen werden.
– Mit uns bist du sicherer. Auf dem Weg nach Äthiopien. Das weißt du selbst.
– Wir sind das Ziel, Achak. Schau uns an. Zu viele Jungen. Alle wollen uns tot sehen. Gott will uns tot sehen. Er versucht, uns zu töten.
– Geh noch ein paar Tage mit. Dann wirst du dich besser fühlen.
– Ich verlasse die Gruppe, wenn ich ein Dorf finde, sagte Monynhial.
– Sag so etwas nicht, sagte ich.
Aber kurz darauf tat er es. Im nächsten Dorf, durch das wir kamen, blieb er stehen. Obwohl das Dorf verlassen war und obwohl Dut ihm sagte, dass die Murahilin in dieses Dorf zurückkommen würden, ging Monynhial nicht mehr weiter.
– Wir sehen uns irgendwann, sagte er.
In diesem Dorf suchte Monynhial sich ein tiefes Loch, das eine Antonov-Bombe gerissen hatte, und stieg hinein. Wir verabschiedeten uns von ihm, weil wir es gewohnt waren, dass Jungen starben und die Gruppe auf die eine oder andere Weise verließen. Unsere Gruppe ging weiter, während Monynhial drei Tage in dem Loch blieb, ohne sich zu bewegen, und die Stille in dem Loch genoss. Er grub eine Höhle in die Kraterwand und machte sich aus dem Strohdach einer halb abgebrannten Hütte eine kleine Tür, um den Eingang zu verdecken und sich vor Tieren zu verstecken. Niemand besuchte Monynhial. Kein Tier, kein Mensch. Niemand wusste, dass er da war. Als er am ersten Tag Hunger bekam, kroch er aus seinem Loch und durch das Dorf zu einer Hütte, wo er einen Knochen aus der kalten Asche eines Feuers zog. Daran hingen drei Bissen Ziegenfleisch, die außen verkohlt waren, ihn aber an jenem Tag sättigten. Er trank aus Pfützen und kroch dann zurück in sein Loch, wo er den ganzen Tag und die ganze Nacht blieb. Am dritten Tag beschloss er, in dem Loch zu sterben, weil es dort warm war und es keine Geräusche darin gab. Und er starb an jenem Tag, weil er dazu bereit war. Keiner von den Jungen, die mit mir gingen, sah Monynhial in seinem Loch umkommen, aber wir alle wussten, dass die Geschichte stimmte. Es ist für einen Jungen sehr leicht, im Sudan zu sterben.
XIII.
Ich liege auf dem Boden, strampele, um die Aufmerksamkeit meiner christlichen Nachbarn zu erregen, und schwanke hin und her zwischen Ruhe und heftiger Aufregung. Ich akzeptiere meine missliche Lage, da ich weiß, dass sie beendet sein wird, sobald Achor Achor kommt, aber einmal in der Stunde packt mich große Ungeduld, blinde Wut, und dann winde ich mich und schlage mit den Beinen und versuche, mich zu befreien. Diese Bewegungen ziehen meine Fesseln nur noch fester, treiben mir Tränen in die Augen und jagen mir stechende Schmerzen durch den Hinterkopf.
Ein Gutes hat der letzte Ausbruch meiner Frustration jedoch. Ich merke, dass ich rollen kann. Ich komme mir dumm vor, weil ich das nicht schon früher gemerkt habe, aber im Nu habe ich mich so gedreht, dass ich parallel zur Wohnungstür liege. Ich rolle mich auf die Seite, mein Kinn scheuert über den Teppich, fünf Umdrehungen, dann stoße ich gegen die Tür. Ich drehe mich wie ein Rad und beuge die Knie. Ich atme durch, ganz trunken davon, endlich auf die Lösung gekommen zu sein, und trete mit meinen gefesselten Füßen gegen die Tür.
Wenn ich die Tür auch nicht auftreten kann, werden doch bestimmt Leute draußen auf mich aufmerksam werden. Ich trete und trete, und die schwere, in Metall gefasste Tür klappert im Rahmen. Das Geräusch ist befriedigend laut. Ich trete erneut zu und verfalle bald in einen Rhythmus. Ich bin laut. Irgendjemand wird mich ganz sicher hören. Ich trete mit einem Lächeln im Gesicht, weil ich weiß, dass da draußen jetzt alle von den Geräuschen eines Menschen in Not geweckt werden. Da ist jemand in Atlanta, der leidet, der geschlagen wurde, der in die Stadt kam, nur weil er sich eine Ausbildung wünschte, eine gewisse Stabilität, und jetzt liegt er gefesselt in seiner eigenen Wohnung. Aber er tritt, und er ist laut.
Höre mich, Atlanta! Ich grinse, und Tränen rinnen mir über die Schläfen, weil ich weiß, dass bald jemand an diese Tür kommen wird, vielleicht die christlichen Nachbarn, vielleicht Edgardo, und er wird fragen: Wer ist da? Was ist los? Sie werden ein schlechtes Gewissen haben, weil sie schon früher etwas hätten tun können, wenn sie nur hingehört hätten.
Ich beginne, die Tritte gegen die Tür zu zählen. Fünfundzwanzig, fünfundvierzig.
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