Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
Tobacco blitzten vor Gericht ab – auf allen Instanzen. Seither dürfen Zigarettenschachteln nur noch in einem langweiligen Grüngrau bedruckt werden. Der Marlboro-Mann, das Camel-Dromedar – sie mussten in Rente gehen. Der Markenname erscheint lediglich noch klein auf der Packung; in dünner, generischer Schrift, nicht als Logo. Stattdessen reizt das farbige Bild eines Krebstumors, eines erblindeten Auges oder eines abfaulenden Fußes den Brechreiz des Betrachters. Und die Schockmethode zeigt Wirkung. Selbst langjährigen Rauchern vergeht beim Anblick der Schachteln offenbar die Lust auf den Glimmstängel. Raucher meldeten in den ersten Wochen nach der Einführung, sie hätten das Gefühl, der Geschmack ihrer Zigaretten sei anders geworden, schlechter. Und das, obwohl die Tabakfirmen ihre Rezeptur nicht verändert hatten. Für die Experten ein klarer Beweis dafür, dass die Präsentation von Tabakprodukten, die Farbe, die Form und das »Gefühl« der Verpackung einen entscheidenden Einfluss auf das Kaufverhalten haben. Doch es ist nicht nur die Verpackung, die viele vom Rauchen abschreckt. In den letzten Jahren erhöhte die Regierung den Preis für Tabakprodukte massiv. 14 Euro für eine Packung, das ist heute normal. Diese Maßnahme hat jedoch einen traurigen Nebeneffekt. In einigen Fällen vernachlässigen Menschen aus unteren Einkommensschichten die Ernährung ihrer Kinder, um ihre Sucht stillen zu können. Marlboro und Camel statt Brot und Milch.
Christine saugt heftig am Lachgas, als Doktor Harding wieder sagt: »Pressen Sie.« Zum letzten Mal. Samuel ist geboren. Er schreit nicht, er gibt überhaupt keinen Ton von sich. Hanna, die Hebamme, legt Christine das Baby an die Brust. Ein Kuss für meine Frau. »Mein Gott, ist der süß«, sage ich und kann mir eine kleine Freudenträne nicht verkneifen. Der Kleine hat keinen Durst. Er schaut nur an die Decke, fast gelangweilt über das, was um ihn herum geschieht. Ein kurzes »Goodbye«, und Harding ist auf dem Weg zum Golfplatz. Zum ersten Mal in vielen Stunden sind wir alleine im Gebärsaal. Nur das unterdrückte Jammern der Frau im Zimmer nebenan durchdringt ab und zu die Stille.
Eine Verwaltungskrankenschwester kommt – so etwas gibt es hier –, um uns Formulare zu bringen. Schon wieder Papiere ausfüllen, zum zehnten Mal. Ich dachte immer, die Schweiz und Deutschland seien bürokratisch. Doch die Australier übertreffen alles. Papiere hier, Formulare da – für jeden Finger des Kindes ein Dokument. Das australische Gesundheitswesen beschäftigt mehr Bürokraten als Ärzte und Krankenschwestern.
Die letzten neun Monate waren für uns eine perfekte Einführung ins australische Gesundheitssystem, mit all seinen Schwächen und Stärken. Lange Zeit galt es als eines der besten der Welt. »Medicare« heißt das Zauberwort, eine universelle Krankenversicherung, eingeführt 1975 unter dem damaligen Labor-Premierminister Gough Whitlam. Jeder Australier, jede Australierin, unabhängig von Herkunft, Wohnort und Einkommen, sollte eine grundlegende, aber kompetente Behandlung in einem öffentlichen Krankenhaus bekommen können. Dafür sollte jeder Arbeitstätige 1,5 Prozent seines Einkommens an Medicare abgeben. Auch eine subventionierte oder – je nach Arzt – sogar kostenlose Behandlung bei einem Allgemeinpraktiker steht einem zu. Ausgenommen sind Zahnbehandlungen und Brillen, und auch wenn man von der Ambulanz abgeholt werden muss, greift man selbst in die Tasche. Die Reform war dringend nötig: Viele Australier hatten davor keinerlei Krankenversicherung. Die Deckung, die Medicare bietet, reicht jedoch schon lange nicht mehr, um die eskalierenden Gesundheitskosten aufzufangen. Immer wieder werden Fälle von Schwerkranken publik, die sterben, weil sie monate- oder gar jahrelang auf ihre Operation warten müssen. Die meisten öffentlichen Krankenhäuser haben schlicht zu wenig Kapazität, um die Nachfrage nach Operationen und Behandlungen zu befriedigen.
So bezahlen die meisten Australier auch für eine private Krankenversicherung. Ab einem bestimmten Jahresgehalt müssen sie sogar eine haben, sonst zieht ihnen der Fiskus ein Prozent mehr für Medicare vom Gehalt ab. Die zusätzliche Versicherung erlaubt nicht nur die Behandlung in einem privaten Krankenhaus. Sie sollte eigentlich auch den sogenannten »Gap« decken. Das ist der verhasste Unterschied zwischen dem, was ein Arzt anordnet, und dem, was Medicare auszahlt. Doch in den meisten Fällen flattert
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