Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
Gefängnis, der als einer der sichersten der Welt gilt. Hier arbeitet Bill. Und wie es der Zufall will, gehört ein alter Bekannter zu seinen Schützlingen: der Backpacker-Mörder Ivan Milat. Wann immer ich mit Bill spreche, frage ich ihn, wie es dem Verbrecher geht. Bill darf natürlich aus rechtlichen Gründen nicht viel sagen. Aber in seiner Mimik kann ich lesen, dass Milat im Gefängnis kein einfaches Leben hat.
Wenn Bill sich mal nicht gerade um Mörder, Vergewaltiger und Kinderschänder kümmert, arbeitet er in seinem Shed. Die Scheidungsrate in Australien wäre um einiges höher, wenn Männer nicht ihr Shed hätten. Es ist fast ein ungeschriebenes Gesetz, dass Frau ein Shed nur betritt, wenn sie unbedingt muss. Sonst ist Mann dort alleine, vielleicht noch mit seinen Kumpeln, um Bier zu trinken, auf einem kleinen Fernseher Rugby zu schauen, die Angelrute zu flicken oder in der Nase zu bohren. Ohne dass jemand nörgelt.
Früher waren Sheds kaum mehr als ein paar Stücke Wellblech, die mit Schrauben an ein Holzgerüst befestigt wurden. Heute werden sie mit modernster Computertechnik unter Einhaltung der Bauvorschriften gezeichnet, gefertigt, verpackt. »Kann vom Heimwerker leicht selbst aufgebaut werden«, steht auf der Packung. Was für ein Unsinn. Wer nicht schon als Kleinkind täglich mit Baukästen gespielt hat und in der Schule in Metallarbeit Bestnoten erreichte, der hat keine Chance, ein solches Projekt durchzuführen, ohne dass es beim nächsten Windstoß zusammenfällt. Die Anleitung für den Aufbau ist in der Regel derart komplex und mit Fehlern behaftet, sogar Einstein hätte seine Mühe, sie zu verstehen. Ich habe einmal versucht, ein kleines Garten-Shed selbst zusammenzubauen. Es war ein wirklich kleines Gebäude, nicht viel mehr als eine Unterkunft für meine Spaten und Schaufeln. Was ein Job für ein paar Stunden an einem gemütlichen Samstagnachmittag hätte werden sollen, entwickelte sich zu einem dreitägigen Dauerstress für meine ganze Familie. »Hier halten, nein da. Pass doch auf! Wo sind denn jetzt die Schrauben, verdammt noch mal?« Wer sich mit der Absicht trägt, sich scheiden zu lassen, dem kann ich nur raten, gemeinsam mit der Ehefrau ein Shed zu bauen. Einer sofortigen Trennung sollte danach nichts mehr im Weg stehen.
So sind wir froh, dass wir die Verantwortung für den Bau unseres Sheds, immerhin 12 Meter lang und vier Meter breit, in die Hände von Ray legen können. David hat nicht übertrieben: Der Mann ist spitze – und wie Coxi unglaublich widerstandsfähig. Bei Wind und Wetter hievt er eigenhändig Stahlträger in die Höhe, schraubt Wellblechplatten aufs Gerüst, fällt mindestens dreimal von der Leiter, flucht kurz, steht wieder auf und arbeitet weiter. Vier Wochen später steht unsere neue Bleibe. Wir haben einen Hauptraum mit Holzofen, ein Schlafzimmer und ein Kinderzimmer. Klein, aber gemütlich. Joe, der Klempner, kommt. Ein Vietnamveteran, die Arme voller Tattoos. Wie die meisten seiner Kollegen spricht er nicht gerne über seine Erfahrungen im Krieg. Er schließt das Wasser aus dem Regentank an, zwei Gasflaschen für eine kleine Kochplatte und den Warmwasserkessel, und die Kanalisationsröhre in eine Sickergrube. Zum ersten Mal haben wir auf unserem Land ein Klo, das man spülen kann. Leider nicht mehr mit Aussicht ins Tal, sondern auf den Duschvorhang.
Rund 30 000 Euro hat uns der Bau dieses Sheds gekostet – eine Menge Geld und trotzdem eigentlich wenig, wenn man bedenkt, dass wir eigentlich ein kleines Haus gebaut haben. Mit dem Geld, das wir für unser Haus in Campbelltown bekommen haben, können wir einen Teil der Schuld für den Kauf des Grundstücks abbezahlen, es bleibt aber noch eine heftige Restschuld. Für mich bedeutet das, dass ich noch mehr arbeiten muss. In unserem Schlafzimmer richte ich mir ein kleines Büro ein, mit Aussicht auf die Kängurus, die am Morgen vor dem Shed den Morgentau vom Gras lecken.
Die Nähe von Greentown zur Hauptstadt Canberra hat große Vorteile. Eine Stunde Fahrt. Am Morgen sehe ich meine Kängurus, am Nachmittag den Premierminister. Sydney ist zwar für die Wirtschaft die heimliche Hauptstadt Australiens. Die Politik spielt sich aber weitgehend in Canberra ab. Alle Botschaften sind dort, wichtige Departements, Forschungsinstitute, Universitäten. So verbringe ich bald mehr Zeit in Canberra als in Sydney. Ich habe im Verlauf der Jahre Canberra schätzen gelernt. Die hohe Konzentration von interessanten und
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