Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
käuflicher Liebe unter den Politikern, Beamten und Diplomaten sei derart groß, sagt Fiona, dass – rein statistisch gesehen natürlich – jeder der 90 000 Männer in ACT zweimal im Jahr ein Bordell besucht. Bei einer Gebühr von durchschnittlich etwa 150 Euro pro Stunde kommt da einiges zusammen. Während der Großteil der anderen Städte über die Kriminalisierung gewisser Bereiche der Prostitution versucht, das Gewerbe unter Kontrolle zu halten, wird die Sexindustrie in ACT nicht nur geduldet, sie ist über liberale, aber strikte und sehr detaillierte Vorschriften genauestens geregelt. So unterliegt der Besuch im Bordell klaren Richtlinien, was Hygiene, Sicherheit und die Art der angebotenen Leistungen angeht, erklärt mir Fiona und nennt Einzelheiten, die mir die Schamröte ins Gesicht treiben. Sogar Geldbußen gibt es. Wer im Bordell Sex ohne Kondom fordert, muss mit einer Strafe von 5000 Euro rechnen. Die Einhaltung der Bestimmungen wird von der Eros Foundation selbst kontrolliert, etwa über Bordellbesuche mit verdeckten Ermittlern. »Wir haben schon alleine wegen der Sicherheit unserer 150 Sexarbeiterinnen und -arbeiter ein großes Interesse an einer sauberen, gewaltfreien Industrie«, erklärt Patten. Trotzdem gebe es auch »unsinnige, ja lächerliche Bestimmungen«. Beispielsweise müssten gebrauchte Kondome als Sondermüll entsorgt werden. Zudem sind Bordelle und Sexshops in den industriellen Randgebieten Canberras angesiedelt.
Also doch: aus den Augen, aus dem Sinn. Die geographische Isolation der Puffs zeigt die ambivalente Beziehung, die viele Politiker in Australien zur Sexindustrie haben. Immer wieder versuchen konservative Kräfte, sie zu limitieren. Im Zeitalter des Internets ein hoffnungsloses Unterfangen, sagt Robbie Swan, Gründer des australischen Sexmuseums. Er sieht eher aus wie mein ehemaliger Mathematiklehrer, nicht wie der Antichrist. Als den sehen ihn viele Konservative und Kirchenvertreter jedoch. In einem unscheinbaren Haus in einem Vorort von Canberra zeigt mir der etwa 50-Jährige seine Sammlung. Eine überwältigende Vielfalt von Dildos und Vibratoren, in allen Formen und Farben, von pornographischen Bildern aus der Frühzeit der Fotografie. Dazu aufblasbare Sexpuppen, erotische Kunst. Er sehe sich regelmäßig den Angriffen konservativer Kräfte ausgesetzt, erzählt mir Swan. Seit Jahren gibt es in Canberra eine Gruppe religiöser Parlamentarier, denen Abgeordnete sowohl der Laborpartei als auch den Liberalen angehören. Sie beten jeden Morgen gemeinsam. Für die moralische Sauberkeit Australiens.
Dabei bestätigen Umfragen, dass Australierinnen und Australier keine Bevormundung wünschen, wenn es um den Konsum von gewaltfreiem Sex zwischen mündigen und willigen Erwachsenen geht. So kämpft Fiona Patten weiter für mehr Freiheit im Bett und auf der Streckbank. Denn in den meisten Bundesländern ist der Vertrieb von Pornographie entweder eingeschränkt erlaubt oder ganz verboten. Auch der Betrieb von Bordellen ist je nach Region und Regierung mehr oder weniger stark limitiert. »Schon alleine aus wirtschaftlicher Sicht ein kompletter Unsinn«, schimpft Fiona. Berechnungen von Eros hätten ergeben, dass eine landesweit freiere, strikt regulierte Sexindustrie pro Jahr mindestens 200 Millionen Euro zum Bruttoinlandsprodukt beitragen könnte.
Doppelmoral. »Nirgendwo zeigt sie sich deutlicher als im Puff«, erklärt mir Denise. Es passiere durchaus, dass ein Politiker nach der Domina frage, der eine Stunde zuvor im Parlament noch für eine Straffung der Sexindustrie geworben habe. Namen will man aber auch in »Goldfingers« keine nennen. Politik und Sex sind in Canberra diskrete Bettgenossen.
Zurück in Greentown, liegt mir Christine wieder mal in den Ohren. »Es gibt fast kein Holz mehr«, klagt sie. Wir haben uns entschlossen, nur mit Holz zu heizen. Nicht nur produziert ein moderner, hocheffizienter Holzofen relativ wenige Schadstoffe und kaum noch Rauch, es fehlt uns an einem bestimmt nicht: Holz. Auf unserem Grundstück steht ein Eukalyptuswald. Das Holz der Bäume ist ideal als Brennstoff. Es ist ein sehr »dichtes« Holz, das lange und mehr oder weniger komplett verbrennt, ohne viel Asche.
Christine und ich haben schon frühzeitig abgemacht, dass die Holzbeschaffung zu meinen Pflichten gehört. Während sie im Shed nach dem Rechten schaut, bin ich dafür verantwortlich, dass es warm ist. Im Winter, wenn die Temperaturen weit unter die Nullgradgrenze fallen
Weitere Kostenlose Bücher